Der 10. Jahrestag des Irak-Kriegs: Wo bleibt die Selbstkritik?

Joerg Wolf │ 19. März 2013



Der SPD Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier lobt im Spiegel: „Gerhard Schröder hat vor zehn Jahren Mut und Standfestigkeit bewiesen. Allen wohl und niemandem weh, mag manchmal bequem für den politischen Alltag sein. Die Zukunft des Landes sichert man so nicht.“

Das stimmt. Der Druck war damals enorm. Der damalige Bundeskanzler hat aber auch mehr transatlantisches Porzellan zerschlagen als für die Ablehnung des Irak-Krieges notwendig war. Außenminister Fischer hat einen besseren Weg gefunden. Er hat die Meinungsverschiedenheit mit dem wichtigsten Bündnispartner nicht für den Wahlkampf missbraucht.

Zum Jahrestag des Irak-Krieges möchte Steinmeier die für Deutschland wichtigen Schlüsse ziehen. Der SPD Fraktionsvorsitzende und damalige Chef des Bundeskanzleramts ist dabei jedoch nicht gerade selbstkritisch. Stattdessen lobt er die deutschen Nachrichtendienste:

Eigene geheimdienstliche Expertisen sprachen zudem gegen die Behauptung von einsatzbereiten Massenvernichtungswaffen und Produktionsanlagen, die im Sicherheitsrat Dreh- und Angelpunkt der Interventionsbegründung war.

Steinmeier verschweigt dabei die “Mitschuld” des Bundesnachrichtendienstes, über die Erich Follath, John Goetz, Marcel Rosenbach, Marcel und Holger Stark vor fünf Jahren im  Spiegel schrieben:

Der deutsche Geheimdienst hat mit der Rechtfertigung dieses Kriegs mehr zu tun als ihm heute lieb ist. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist wie seine Kollegen in Paris und Moskau zwar ein vehementer Kriegsgegner - aber ausgerechnet seine Agenten haben Washington einen zentralen Beleg zum Anfachen der Kriegshysterie geliefert: die Sache mit den Biowaffen. Das Dach und die Fassade der Kriegskonstruktion stammen aus Amerika, aber eine der tragenden Säulen des Phantasiegebäudes kommt aus Deutschland. Die Informationen aus Pullach dienten damit zur Rechtfertigung eines Kriegs, der bis jetzt laut Schätzungen Hunderttausende Menschenleben forderte und den Nahen Osten ins Chaos stürzte. Sie gingen zurück auf einen einzigen Mann: “Curveball”.

Die „Curveball“ Affäre wurde in den letzten zehn Jahren in Deutschland kaum diskutiert und eine mögliche Mitverantwortung am Irak-Krieg noch viel weniger. Viele Amerikaner nehmen uns „Curveball“ noch immer übel. Das Thema ist nicht aufgearbeitet. Der BND rechtfertigt sich und sagt, sie hätten Zweifel an der Glaubwürdigkeit von “Curveball” an die CIA übermittelt. Die CIA kritisiert, sie hätten nicht mit “Curveball” selbst sprechen können. Die Kommunikation und Zusammenarbeit war damals also suboptimal. Aber auch nicht so schlecht wie oft behauptet, denn zwei BND Mitarbeiter in Bagdad versorgten die USA von Februar bis April 2003 mit militärisch relevanten Beobachtungen und geographischen Zielkoordinaten.

Ich wundere mich, dass Steinmeier den Stillstand im israelisch-palästinensischen „Friedensprozess“ und den Krieg in Syrien als dramatische Konsequenzen des Irak-Krieges betrachtet.

Volle Zustimmung aber bei seiner ersten Schlussfolgerung:

Mehr Forschung, mehr Debatte

Deutschland braucht die notwendige Expertise, um in einer zunehmend komplizierten Welt urteilsfähig zu sein. Dazu gehören ernsthafte außen- und sicherheitspolitische Analysen, nicht nur herausragende Think Tanks, sondern eine außen- und sicherheitspolitische Community, die sich keiner Erkenntnismöglichkeiten verschließt. Wer die offene und scharfe Debatte etwa in der US-amerikanischen Community verfolgt, den muss die Selbstgenügsamkeit der außen- und sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland beunruhigen.

Jörg Wolf ist Redakteur von deutschlands-agenda und atlantic-community.org, dem Open Think Tank der Atlantischen Initiative. Folge ihm auf Twitter. Er freut sich über Kommentare hier und auf den Facebook und Twitter Kanälen von Deutschlands Agenda.

1 Kommentare

  1. Udo von Massenbach Says:

    ob mit oder ohne “curveball”. das Problem Saddam Hussein musste - nicht zuletzt wegen der Kurden - gelöst werden.

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