Endlich reinen Wein einschenken! Zu Rüstungsexporten und roten Tüchern deutscher Debatten

Felix Seidler │ 10. Juli 2012



Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Natürlich wird angesichts dessen Zeter und Mordio geschrien. Bei nüchterner Betrachtung muss man feststellen, auch Rüstungsexporte sind ein strategisches Instrument deutscher Außenpolitik. Das ganze Thema ist aber nur ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit, der Bevölkerung in öffentlichen Debatten endlich reinen außen- und sicherheitspolitischen Wein einzuschenken.

Wider die roten Tücher

Rüstungsexporte, Wirtschaft, deutsche Interessen - Tauchen in den Debatten bei uns gewisse Schlagwörter auf, ist die Sachdiskussion sofort vorbei; von allen Seiten. Die Alarmglocken gehen los und es folgen ausschließlich die bekannten Moralargumente - „Es ist Deutschlands historische Verantwortung Israel zum Schutz die U-Boote zu liefen“ vs. „Keine Waffen in Krisengebiete“. Zeit für eine andere Betrachtung. 

Problem dabei ist auch, der Bundessicherheitsrat, der die Rüstungsexporte genehmigt, tagt geheim. Außerdem ist das Thema so unpopulär, dass kein Politiker den Versuch wagen wird, der Bevölkerung zu erklären, dass auch der Verkauf von Waffen an andere Staaten ein Mittel deutscher Außenpolitik ist. Niemand zwingt die Industrie und die Bundesregierung zum Verkauf ihrer Produkte an wen auch immer. Rein theoretisch betrachtet sind wir also frei in der Entscheidung, wie wir dieses Mittel (nicht) nutzen. Man kann inhaltlich dazu stehen, wie man will, aber die roten Tücher sind kalter Kaffee. Neue Zeiten und Herausforderungen für Deutschlands Außenpolitik verlangen nach anderen Debatten.

Industriepolitik 

Ohne den Export ist die Rüstungsindustrie tot. Es ist so einfach. Egal ob für Heer, Luftwaffe oder Marine. Wollen wir also diese industriellen Fähigkeiten, dieses Wissen und nicht zuletzt diese Arbeitsplätze erhalten, müssen wir exportieren.

Dass bislang gute Kunden wie Griechenland und Italien in Zukunft weit weniger kaufen werden, bedarf keiner weiteren Begründung. Da quer durch die NATO- und EU-Mitgliedsstaaten die Verteidigungsausgaben nur noch gekürzt werden, daran wird sich langfristig wohl auch nichts ändern, sind Märkte außerhalb dieser Länder zu suchen. 

Was an wen verkaufen?

Deutschland hat eine weltweit einzigartige Stellung beim U-Boot-Bau. Und was spricht dagegen, moderne U-Boote der Klasse 214 an befreundete Demokratien wie Australien und Südkorea zu verkaufen? China mag das nicht gefallen, aber sonst ist es politisch wie wirtschaftlich ein gutes Geschäft. Das globale Alleinstellungsmerkmal bei den Fähigkeiten zum U-Boot-Bau dürfen wir nicht aufgeben, weil wir es an anderen Stellen als politisches Faustpfand nutzen können: „Ihr könnt bei uns topmoderne U-Boote kaufen, aber ihr müsst dafür tun…“.

Nach dem geplatzten Indien-Deal wird sich der Eurofighter kaum mehr zum großen Exportschlager entwickeln. Angesichts dessen kann man davon ausgehen, dass der Eurofighter Europas letztes großes Kampfjet-Projekt sein wird, weil neben den USA und Russland Länder wie China und Indien auf Eigenentwicklungen setzen und auf dem globalen Markt damit erscheinen werden. Ergibt sich noch die Möglichkeit, zumindest ein paar Flieger zu verkaufen, kann man das Geschäft zum Erhalt der Arbeitsplätze mitnehmen.  

Eine andere Frage sind die Leopard 2 Panzer. Umstritten ist der Deal mit Saudi-Arabien. Was wollen die angesichts ihrer geographischen Lage überhaupt damit? Die Saudis machen mit ihrem Öl-Geld Realpolitik, kaufen Rüstungsgüter, die sie eigentlich nicht brauchen, um den USA und anderen Staaten wegen ihren Industrien einen Gefallen zu tun. 

Nach Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien wird auch Saudi-Arabien früher oder später kippen. Fraglich ist, in welche Richtung. Die alte Garde der Königsfamilie stirbt langsam aus, es wächst eine Generation nach in der Teile (bei weitem aber nicht alle) sich nach mehr Freiheit sehnen und der heute massiv durch Öl-Geld subventionierte Lebensstandard wird sich in der Tankstelle der Welt nicht ewig aufrecht erhalten lassen. Durch den Verkauf der Leopard kriegen wir dort einen Fuß in die Tür. Richtig, das Risiko, dass die Panzer zu falschen Zwecken eingesetzt werden, ist da. Aber indem wir die Saudis von unseren Ersatzteillieferungen abhängig machen, behalten wir zumindest teilweise die Kontrolle. 

Noch entscheidender ist, wenn wir die Zusammenarbeit richtig gestalten, kriegen wir Kontakte ins saudische Militär. Während der Demonstrationen auf dem Tahir-Platz glühten die Telefonleitungen von den US-Militärstäben gen Ägypten, weil die Amerikaner alle ihre Kontakte einsetzten, um auf das Militär am Nil einzuwirken. Nehmen wir an, Saudi-Arabien kippt. Dann wäre es doch zu begrüßen, wenn wir die richtigen Telefonnummern haben und die entscheidenden Figuren kennen, um in kritischen Phasen auf Saudi Arabiens Militär einwirken zu können. Damit Panzer, egal von welchem Hersteller, eingesetzt werden, muss ein Offizier den Befehl dazu erteilen! Heißt, wir müssen uns den Einfluss auf diese Offiziere, vor allem auf den Nachwuchs sichern.  

Für offene Debatten mit klarer Sprache

Rüstungsexporte, Veteranen, Auslandeinsätze, nationale und europäische Interessen, Ehrenmale und Abzeichen für Soldaten - Statt klarer Sprache, aus Angst vor dem politischen Selbstmord (s. Horst Köhler), verstecken sich alle Beteiligten entweder hinter Floskeln oder tun alles, um die öffentliche Debatte darüber zu vermeiden. 

Mit der organisierten Debattenvermeidung muss Schluss sein. Die öffentliche Aussage von Polens Außenminister,deutsche Macht fürchte ich heute weniger als deutsche Untätigkeit“, macht klar, dass unsere Partner und Alliierten heute weit mehr außenpolitisches Engagement von uns wollen. Von Deutschland wird erwartet, dass es eine Führrungsrolle einnimmt und europäisch wie global stärker mitgestaltet. Die Aufzählung oben ließe sich über Sicherheitspolitik hinaus auf diversen anderen internationalen Politikfeldern beliebig fortsetzen.

Es ist Aufgabe der außenpolitischen Eliten, der Bevölkerung über die Erwartungshaltung an uns, Interessen, Mittel und die damit verbundene Realpolitik endlich reinen Wein einzuschenken. Die Herausforderungen für uns werden ja nur größer und daher können wir uns rote Tücher, Zeter und Mordio einfach nicht mehr leisten.

Felix F. Seidler ist Doktorand an der CAU Kiel.

Bildquelle: Deutsche Marine, Pressebild Link )

12 Kommentare

  1. Michael S. Says:

    Das Thema wird m.E. in einer zu eingeschränkten Sicht diskutiert. Das alte Kalte-Kriegs-Szenario, von dem die meisten Leute mit erstaunlich klaren und einfachen Ansichten ausgehen, teilt die Welt in Staaten = Sicherheit und Unternehmen = Zivilgesellschaft/Steuern. Kollusiv wirkt damit zusammen, dass sich wohl viele vorstellen: the bigger the toy, the worse is the boy - Kriegsgerät wird mit zunehmender Größe verachtenswerter.

    Diese Aufteilung ist heute nicht mehr Realität.

    zu 1: Unternehmen stellen in allen Teilen der Welt einen (de-)stabilisierende Faktor dar. Wenn es schon in Bochum zu Massendemos kommt, wenn Opel ein Werk schließen möchte, dann können wir uns ausmalen, was es heißt, wenn ein Öl-Unternehmen in einem afrikanischen Land auf einmal tausenden Menschen Arbeit geben möchte (und in dem Zustand des Ruhrgebiets in den 60er Jahren wissen wir, dass voller Magen erstmal vor Umwelt kommt). Das Spiel geht auch anders herum, wo labile Regierungen notwendige Genehmigungen verwehren und Unternehmen darauf hinwirken, durch einen Wechsel der Regierung auch direkt ihr eigenes Problem zu umgehen.
    Diese Sphäre bleibt derzeit in der Betrachtung außen vor.

    zu 2: die eigentlichen Massenvernichtungswaffen sind in Afrika Macheten und AK 47. Im arabischen Raum sicher auch noch RPGs und Granaten, aber was wollte uns Syrien gestern mit den Raketenübungen sagen? Doch wohl nur, dass sie diese nicht gegen die Aufständischen einsetzen konnten - sonst hätten sie es getan.
    Der Blick bleibt aber auf dem Großgerät. Das vernebelt aber auch die Sicht auf den massenweisen Einkauf von riot-control-material. Selbst der letzte Diktator hat gemerkt, dass man mit Panzern gegen die eigene Bevölkerung selbst Al Jazeera gegen sich aufbringt. Mit einem Wasserwerfer und Reizgas (nur Reizgas?) kommt man dagegen noch nicht einmal in die Zeitung.
    Wer sich nun um kleineres Gerät kümmert, der kritisiert meist die H&K-Lizenzfabrik in Saudi Arabien. Aber auch hier gilt: ein G36 kostet gut 1.000 bis 1.500 €, während eine gebrauchte AK47 aus altem Sowjet-Bestand schon für 100-200 $ zu haben ist. Neue Waffen sind für die Krisenherde dieser Erde einfach nicht interessant.

    Ergo: Wir brauchen zweierlei:

    1. multidimensionales Denken: auch wenn Sicherheitspolitik der Kernbereich des Staatlichen ist, erreichen wir nur im Verbund etwas. Auch wenn wir durch die Sicherheitspolitik der Wirtschaft gerne Räume öffnen oder erhalten (Stichwort Seehandel) müssen wir auf der anderen Seite auch regulierend eingreifen, wo Unternehmen nationale Interessen hintergehen - compliance endet nicht am deutschen Grenzhäuschen!

    2. Wenn aus humanitären Gründen eingegriffen wird, dann zählt auch der bodycount. In Afrika kann man mit sehr geringen Mitteln sehr viele Menschen aus Konflikten retten. Das tangiert den Waffenxport zero - null - nada. Jeder Afrikaner, der in einem Völkermord der letzten 60 Jahre gestorben ist, hat noch nie ne deutsche Waffe gesehen. Wer sich also beim Thema Rüstungskontrolle nur um deutsches Großgerät kümmert und dann beim Thema Grauhandel von Gebrauchtmaterial auf einmal das Interesse verliert, dem geht es nicht um Menschen, dem geht es nur ums Gewissen. Und jetzt der polemische Teil: vielleicht sind das die selben Menschen, die Bio-Kartoffeln aus Ägypten essen: sicher haben die nie Pestizide gesehen, aber der CO2-Abdruck ist enorm und dass man den Menschen dort Ackerfläche für den Selbstanbau stielt, ist diesen Menschen dann auch egal.

  2. Felix Seidler Says:

    Ja, das Thema wird zu eingeschränkt diskutiert. Genau dazu ist der Artikel ja auch als Anstoß da. Auch deiner Aussage, dass die Aufteilung von Rüstungsgerät heute nicht mehr Realität ist, kann ich so zustimmen.

    Ich denke, dass Unternehmen weit mehr stabilisierend als destabilisierend in der Welt wirken. Warum? Nur die Wirtschaft (nicht der Staat) schafft ausreichend Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und damit Wohlstand. Je mehr Wohlstand, desto zufriedener die Menschen und desto höher der Grad an Stabilität. Die Umweltfragen, die du ansprichst, sind aber in Politik wie Medien in Deutschland dauerhaft Bestandteil der Diskussion: Klimawandel, Arktis, brasilianischer Regenwald, Desertifikation in der Sahelzone, usw. Da haben wir kein Aufmerksamkeits- und Debattendefizit, sondern eher ein Umsetzungsproblem.

    Dein Kommentar zu Kleinwaffen stimmt auch. Es gibt einige NGO-Berichte, die genau auf diese Problematik hinweisen, aber Großgerät aus deutscher Produktion lässt sich medial besser ausschlachten als Kleingerät aus Russland. Deiner Schlussfolgerung des Absatzes „zu 2“ stimme ich daher ebenfalls zu.

    „Wir“, ich denke, die Bundesregierung ist gemeint, können an den von dir genannten Stellen regulierend eingreifen, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist. Mal abgesehen davon, dass Deutschland außer an der Schweizer Grenze keine Grenzhäuschen mehr hat, ist doch völlig offen was „nationale Interessen“ – Vorsicht, rotes Tuch – tatsächlich sind. Können Unternehmen etwas umgehen, das nirgendwo mit einem größeren Konsens definiert ist? Eher nicht. Da sind wir dann bei der Notwendigkeit, die Strategiedebatte zu führen und den Konsens mit Zielen und Mittel aufzuschreiben, zu beschließen und umzusetzen. Natürlich sind Wirtschaft und Unternehmen da aktiv mit ein zu beziehen.

    Bei humanitären Interventionen zählt „der bodycount“? Schlicht falsch. Bei den Völkermorden in Ruanda und Darfur hat „der Westen“ einfach zugeguckt obwohl hunderttausende gestorben sind. Im Osten des Kongo tobt seit langem einer der blutigsten Konflikte Afrikas, ohne dass der Westen irgendetwas tut. Interventionen sind immer auch Realpolitik, abhängig von vorhandenen Kapazitäten, politischem Willen und Aufmerksamkeit, Presseberichterstattung und öffentlichem Interesse sowie strategischen und wirtschaftspolitischen Interessen in der Region.

    Folgender Satz ist klasse – „Wer sich also beim Thema Rüstungskontrolle nur um deutsches Großgerät kümmert und dann beim Thema Grauhandel von Gebrauchtmaterial auf einmal das Interesse verliert, dem geht es nicht um Menschen, dem geht es nur ums Gewissen.“ – Stimmt völlig. Gerade Rot-Grün war beim Waffenexport ja sehr fleißig.

  3. Michael S. Says:

    ich habe auch meist Gel im Haar, aber das ist nicht der Grund:
    die bisherigen Einsätze der Bw sind und waren keine humanitären Einsätze. Daher bleibe ich dabei: sollten wir humanitär vorgehen, dann würden wir uns mehr an der Zahl der betroffenen Menschen orientieren. Die Würde des Menschen ist zu schützen, Art. 1 GG und jeder Afrikaner hat genauso viel Würde wie ein Kosovare, ein Afghane, ein somalischer Pirat oder ein waffenschmuggelnder Hamas-Aktivist im östlichen Mittelmeer.

    Du sprichst den richtigen Punkt an: wir haben keine Agenda. lauf mal in Berlin zwischen AA und BMVg hin und her und frag rum, was das deutsche Interesse in der Welt ist.
    Ich wäre auch mal gespannt, was eigentlich Kohl, Schröder und Merkel all den anderen Staaten gesagt haben, wofür wir eigentlich dauerhaft im Sicherheitsrat sitzen wollen: spätestens seit wir uns bei den spannenden Abstimmungen enthalten haben, bleibt erkennbar nur noch das Geld geben übrig.

    Persönlich denke ich, dass wir ein radikales Umdenken brauchen: Sicherheitspolitik ist kein Tagesordnungspunkt, bei dem sich am Kabinettstisch alle außer dem Verteidigungsminister zurücklehnen dürfen. Der Wirtschaftsminister muss da genauso hinter sein wie der Entwicklungshilfeminister.

    Den zukünftigen Job der Bundeswehr sehe ich in der Rolle sicherzustellen, dass alle anderen vernünftig ihren Job machen können. Vernetzt mit der Wirtschaft muss die Bundeswehr das know how liefern, damit die deutsche Wirtschaft weiß, welche Gefahren in der Welt lauern. Gerade der deutsche Mittelstand hat nicht die Kapazitäten, dies allein zu prüfen: auf welchen Routen ist das Ausfallrisko erhöht, welche Produktionsgebiete sind weltweit instabil, welche geostrategischen Positionen müssen wir besetzt halten. Das hat viel mit vernetztem Auftreten zu tun - und genau das macht die Bundeswehr ja auch jetzt schon in den Einsatzgebieten. Der S9-Bereich koordiniert in Stäben das Zusammenwirken mit UNO, NGOs, BMI, AA, BMZ etc. - diese Einsatzerfahrung muss in die Heimat übertragen werden.

    Gleichzeitig muss die BReg auch lernen, dass die Bw nicht das erste, sondern letzte Mittel ist. Wir können Russland und China danken, dass sie Assad derzeit noch stützen, denn was wollten wir denn da machen im Falle einer Intervention: in einem Land mit funktionierender Luftabwehr; mit teils verbunkerter Infrastruktur, in Ansehung der Israelischen Probleme im Libanon? Wer da nach militärischem Eingreifen ruft, der hängt einer Romantik an, die wohl kein Militär teilt.

    Was das mit Rüstungsexporten zu tun hat: es zeigt, dass die Lage nicht schwarz/weiß ist. Es zeigt, dass Probleme nicht monokausal durch ganz einfache Entscheidungen in Berlin gelöst werden können (gerade wenn Existenzen nicht von Opel-Arbeitern, sondern anderen Maschinenbauern dran hängen). Es zeigt schließlich, dass wir für derartige Rollen der Streitkräfte Material brauchen, was in der Entwicklung extrem teuer ist. Und wenn ich die Entwicklungskosten auf 100 Einheiten für die Bw umlege, dann zerschießt das jeden schönen Plan. Wenn ich die Kosten dagegen auf 1.000 Exemplare umlege, dann wird es schon realistisch - und bei 10.000 wird es fast schon lukrativ 😉
    Also: warum fahren wir in Europa noch mit 38 Panzertypen rum - und warum bleibt bei mir das dumpfe Gefühl, dass die Saudis auch ohne Einkauf in Deutschland ihre Panzer bekommen? 😉

  4. Felix Seidler Says:

    Realistisch betrachtet sehe ich nicht, dass wir in der Bundesregierung den politischen Willen und im Bundestag Mehrheiten für Auslandseinsätze mit mehr als 1.000 Mann Bodentruppen und Kampfeinsätzen bekommen. Nach dem Abzug aus Afghanistan sind vermutlich alle erstmal froh, dass diese Phase deutscher Sicherheitspolitik vorbei ist. Die Angst vor den Fernsehbildern wie 1993 in Somalia bleibt nach wie vor in den Köpfen. Deiner Argumentation für die Würde des Menschen kann man ethisch nicht widersprechen. Politisch halte ich die Phase großer Auslandseinsätze mit Bodentruppen nach Afghanistan und dem Balkan aber für beendet. Etwas Marine oder seltener Luftwaffe, ja, aber die Politik wird alles tun, um ein zweites Afghanistan für die Bundeswehr zu verhindern. Da bin ich mir sicher.

    Wenn du nach deutschen Interessen fragst, wirst du „Frieden, Multilateralismus, Zusammenarbeit, mehr Europa, usw.“ hören. Was das genau bedeutet, traut sich aber kaum einer offen zu sagen. Alleine weil der Begriffe „Interesse“ schon so fürchterlich umstritten ist.

    Was den deutschen Sitz im Sicherheitsrat betrifft. Ein dritter ständiger Sitz für ein europäisches Land ist bei den laufenden geostrategischen Machtverschiebungen ausgeschlossen. Sollte jemals zu einer VN-Reform kommen, kann sich Europa glücklich schätzen, wenn es zwei Sitze behält.
    Wir brauchen ein Umdenken in der Hinsicht, Dinge weniger zu bürokratisieren, sondern pragmatischer Umzusetzen. Die Bundeswehr braucht Jahre um die Frage nach Social Media Präsenz zu prüfen. Das geht so nicht mehr. Auch in allen anderen Berliner Bürokratien.

    „Know How“ liefern, wie du es nennst, ist nicht Sache der Streitkräfte. Dafür haben wir Botschaften, Nachrichtendienste, Wissenschaftler, usw. Wenn ich an die Zukunft der Bundeswehr denke, sehe ich da vor allem die Global Commons (Air, Cyber-Space, Sea, Space). Da spielt in Zukunft der Musik und da werden wir Streitkräfte brauchen, um Schutz, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.

    Die Politik muss ihrer Aufgabe als strategische Führung stärker gerecht werden. Zur Zeit läuft es ja so, dass sich die Politik in diverse taktische und operative Details einmischt (Taschenkarten, Flug in Somalia nur 2 km ins Land rein), es aber versäumt vorzugeben, welcher politische Zustand eigentlich auch durch das Militär erreicht werden soll. Stattdessen hat man Einsätze nach dem Motto begonnen „Wir schicken erstmal Soldaten und gucken, was passiert“. Auch das geht so nicht mehr. Schickt die Politik Militär, muss sie von vornherein strategische Ziele (konkret!) definieren.

    Nicht nur 38 Panzertypen. Weiterdenken! Wozu brauchen wir in Europa noch mehr als 20 nationale Marinen und Luftwaffen mit all ihren Militärbürokratien. Verschwendung. Pooling & Sharing wie Smart Defence gehen in die richtige Richtung, aber für den Erhalt militärischer Handlungsfähigkeit kommen wir mittelfristig nicht um echte Multinationalisierung herum.

    Und die Amerikaner sind sauer, dass die Saudis den Abrahams M1 nicht kaufen 😉

  5. Michael S. Says:

    Ich gehe ab jetzt mal in die Tiefe und greife nicht mehr alle deine Gedanken auf. Nicht weil sie nicht interessant sind, sondern um mich auf einen zu fokussieren. Darüber gestolpert bin ich bei dir, als du der Bw neben den drei klassischen TSK-Gebieten auch Cyber zugeschlagen hast:

    ich glaube, dass wir die Trennlinien zwischen den einzelnen Sicherheitsbereichen in Zukunft nicht mehr gegenwärtigen Weise aufrecht erhalten sollten.
    Gleichzeitig glaube ich, dass die Unternehmen erfolgreicher sind, die sich mit dem Thema Sicherheit auf Geschäftsführungsebene beschäftigen.

    Diesen Schluss ziehe ich nicht nur aus der Vergangenheit, wo die Aufteilung zwischen Innerer und äußerer Sicherheit, zwischen Nachrichtendiensten und der Vollzugspolizei etc. nicht so ausgestaltet war wie bei uns heute. Das lehrt uns nur, dass nichts statisch ist.
    Gleichzeitig sehen doch auch, dass die Bw schon heute in Afghanistan auch Polizei ist. Und sie ist Verwaltungsbehörde im Kosovo und sie ist Waffeninspekteur im Mittelmeer.

    Was ich sagen will: wenn die Realität sich wandelt, dann muss die Sicherheit sich mit wandeln. Wir sehen den Bedarf dazu schon im Inland im NSU-Untersuchungsausschuss: da waren ja wohl so ziemlich alle Dienste beteiligt, die Deutschland aufzubieten hat, geholfen hat es nichts.

    Ähnlich eines Wikis muss die Bw sich eingliedern in eine Sicherheitsarchitektur, wo je nach aktuellem Bedarf Module eingepasst werden. Auf der anderen Seite muss sie ihrerseits auch Module zur weiteren Verwendung bereitstellen. Ob also Cyber nun der Bw gehört oder dem Verfassungsschutz oder den Diensten, das ist gar nicht so entscheidend. Die viel bessere Frage ist, ob die derzeitige Aufteilung von Ressourcen effektiv ist. Was sind die USP der einzelnen Abteilungen, dass wir in jedem Amt eine eigene IT-Sicherheit haben.
    Das geht aber deutlich weiter als Fähigkeiten, auch zu Personal. Das Scheitern Deutschlands bei der Ausbildung afghanischer Polizisten (wir haben statt der versprochenen 1.000 Polizeiausbilder nur 100 gestellt) zeigt, dass der ressortübergreifende Ansatz deutlich besser funktionieren muss. Mir doch egal, ob das Soldaten oder Polizisten sind, die dort vor Ort beraten. Statusfragen spielen in progressiver Entwicklung keine Rolle, sondern werden angepasst.

    Ergo: 1. das Grundgesetz ist nicht statisch
    2. Wir verlieren keinen Grundrechtsschutz, wenn wir die Sicherheitsarchitektur neu ordnen
    3. Man kann nie mit denselben Denkmustern, die Probleme hervorgebracht haben, diese Probleme auch lösen (Albert Einstein)

    Ergo Ergo: wenn jemand fragt, was zur Wirtschaftskrise geführt hat, dann spielt da auch massiv rein, dass der Westen auf einen Angriff, der ca. 5 Mio USD gekostet hat (9/11), mit einer Vergeltung antwortete, die bis heute ca. 1.000 MRD USD kostet.
    Das sind alles Konsumausgaben in der VWL, das hat alles die Staaten ziemlich ausgesaugt.

  6. Felix Seidler Says:

    Okay, gehen wir in die Tiefe. Guter Plan, denn die Trennlinien zwischen dem, was du Sicherheitsbereiche nennst, sind schon lange weg. Nur haben das viele Leute leider noch nicht gemerkt. Noch ein Grund mehr für die Strategie-Debatte.

    Ähnlich wie in Kommentaren oben stimme ich den meisten deiner Ausführungen zu. Die Frage ist aber, wie setzen wir „das“ um? Also in unserem Fall das „Mehr“ an Debatte und mehr Verständnis für Sicherheitspolitik.
    Das Stichwort Grundgesetz ist richtig. Mit Blick auf das, was aus Karlsruhe in den Urteilen zu Lissabon-Vertrag und EFSF kam und in Sachen ESM vllt. noch kommt, steht Deutschland in den nächsten Jahren vermutlich eine größere GG-Reform bevor. Da das Parlamentsbeteiligungsgesetz immer noch auf Grundlage des 1994er Urteils beruht, wäre es dann auch Zeit, über die Verankerung der Möglichkeit von Auslandseinsätzen in der Verfassung zu reden.

    Mit Blick auf NSU, Cyber, usw. Der Förderalismus als solcher ist ein Problem. Wir haben 16 LKA, 16 Landesämter f. Verfassungsschutz, das BKA, das BfV, dann den MAD, die Bundespolizei, den Zoll, usw. Dieses Chaos von über 30 Behörden können wir uns angesichts der knappen Kassen und sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht mehr leisten. Die LKA und LfV müssen zugunsten der Bundesebene entweder ganz abgeschafft oder zusammengefasst werden.

    Aber was ist deine Schlussfolgerung / Empfehlung mit der Anmerkung betr. „Konsumausgaben“. Das wird mir nicht klar.

  7. Michael S. Says:

    Ach so, zu dem leichtesten Punkt - den Konsumausgaben:

    In der VWL unterscheidet man ganz grob zwischen Investitionen und Konsum.

    Getreide und Kartoffeln aufzuessen ist Konsum. Sie als Saatgut im nächsten Jahr zu nutzen ist Investition.
    Ebenso verhält es sich mit Staatsausgaben. Militär ist da per se Konsum - damit „schafft“ man keine Werte. Natürlich muss das Zeug produziert werden und die Soldaten geben ihr Geld auch wieder aus, aber das sind ja auch alles Leute, die an sich keinen eigenständig messbaren Beitrag zum BIP bringen.

    Wenn man sich die Militärausgaben während der interventionistischen Jahre ansieht, dann sind sie immens. wenn man da allein den Anteil rausrechnet, der über das vorherig übliche Niveau reicht, dann ist das ein guter Teil der Staatsschuldenprobleme unserer Tage.

  8. Felix Seidler Says:

    Das ist mir, mit Blick auf die Milliarden- und Billionen-Gräber im US-Miliärhaushalt schon klar. Die Bestandsaufnahme ist leicht. Aber was tun? In sicherheitspolitischer Hinsicht? Was sind da deine Vorschläge? Darauf bist du noch nicht eingegangen 🙂

  9. Michael S. Says:

    Flexibilisierung von Maßnahmen, optionale Nutzung von dual-use-Möglichkeiten, mehr PPPs

    Es gibt Kernbereiche von Sicherheit und es gibt auch dual-use in den Tätigkeiten.
    Es gibt einen Grundbedarf an Sicherheits-Tätigkeiten und es gibt Peaks.

    Wenn wir aus beidem zusammen eine Matrix zeichnen, dann gibt es dort, wo die Achsen zusammenlaufen, einen Bereich, den der Staat schlicht vorhalten muss.
    Dort aber, wo wir im Sicherheitsbereich sind und Richtung peaks laufen, da geht der Weg in Richtung Verwaltungshelfer. Das sind zum Beispiel die Abschleppunternehmen für die Polizei.
    Dort, wo wir im Peak, aber eindeutig Sicherheitsbereich sind, da gibt es flexible Kräfte: Bereitschaftspolizei, SEKs fahren durch die Lande etc.

    Jetzt bleibt noch ein Bereich: dual-use nur in Peak-Zeiten.

    Wenn wir sowieso flexibilisieren müssen, warum dann keine externen Dienstleister - aber im Hoheitsauftrag!

    Das ist genau das Gegenteil von dem, was die BReg gerade macht auf hoher See: Die BReg möchte die GewO ändern, so dass private Sicherheitsunternehmen mit „halbschweren“ Waffen Schiffe bewaffnen. Halte ich für grundlegend falsch! Jeder Somali hat wie jeder Deutsche das Recht, von einem Hoheitsträger erschossen zu werden. Ist das Kerngebiet der Sicherheit? Ja verdammt, die haben Knarren! Ist das Peak? Nein, das wird sich erstmal nicht ändern. Ergo: Muss der Staat machen.

    Was aber, wenn wir Cyber-Abwehr brauchen: ist das Kern-Sicherheit? Ja, aber nicht intensiv grundrechtsrelevant, also zugänglich. Ist das Peak? Ja, die Spitzen schon. Ergo: zivile Kräfte mit einbinden. Ausbildung, mit Arbeitgeber abstimmen (wer so spezialisiert ist, wird wohl beruflich das selbe machen) und dann im Hoheitsauftrag mit einbinden.

    Die Liste lässt sich gut weiterführen: Logistikkapazitäten für den Abzug aus Afghanistan - hat da niemand 10 Jahre dran gedacht, dass die 20 Antonov auf der Welt von jedem gebraucht werden und die Leute sich dusselig verdienen? Was ist mit Fernmeldekapazität: Standardisieren und einsetzen.
    Ach ja, das Großgerät der Bw in AFG wird schon durch die Hersteller direkt gewartet - geht doch.

    Was wir im Auge haben müssen sind zwei Dinge: das erste heißt im US-Jargon
    - the known unknown: wir wissen, dass der nächste Einsatz (egal ob Cyber oder reale Welt) kommt, wir wissen aber nicht, in was für einer Klimazone er stattfindet
    - the unknown unknown: noch schlimmer - wir vergessen vielleicht, dass eine andere Art von Bedrohung kommt, die wir noch gar nicht im Blick haben.

    Und wieder das Wiki: wir müssen so modular sein und so dicht an aktuellen Entwicklungen, dass wir reagieren können.
    Wenn ich nicht weiß, was derzeit mit den Chemikalien eines normalen Großhandels in Pakistan so alles anzustellen ist, dann ist das schlecht.
    Wenn ich nicht weiß, dass der Zugang zu cyber-Angriffs-Infrastruktur heute jedem unterbezahlten Chinesen möglich ist, dann habe ich da vielleicht einen blinden Fleck.

    Ergo: sharing is caring! Vieles was ich mit NATO-Klassifikation auf den Tisch bekomme, ist sowas von öffentlich bekannt - da nehmen sich manche etwas voll. Weil Sicherheit heute gerade nicht mehr heißt, dass rot blau aus dem Osten angreift, müssen wir vor allem zusehen, dass wir überhaupt wissen, wo die Gefahr in 5 Jahren lauert.
    ach ja, derzeit sind 80% der verfügbaren Mittel zur Materialbeschaffung der Bw auf 10 Jahre gebunden…

  10. Hans-Heinrich Dieter Says:

    Es ist verdienstvoll, das Thema deutsche Rüstungsexporte mutig anzugehen. Natürlich sind wir aufgrund unserer Geschichte, unserer politischen Selbstbindungen und der deutschen öffentlichen Meinung nicht frei im rüstungswirtschaftlichen Handeln. Es ist allerdings tatsächlich höchste Zeit, dass in Deutschland sicherheitspolitische Themen ohne Tabus, ohne moralische Totschlagargumente sachlich und vorurteilsfrei diskutiert werden. Bis dahin ist noch ein langer Weg.
    Das Panzergeschäft mit Saudi Arabien ist ein gutes Beispiel. Saudi Arabien ist aus vielerlei Gründen ein einflussreicher Staat im Nahen und Mittleren Osten. Der Staat bedroht seine Nachbarn nicht und auch nicht Israel. Allerdings kann Saudi Arabien als sicherheitspolitisches Gegengewicht zum Iran angesehen werden und dadurch zum geostrategischen Gleichgewicht in der Region beitragen. Stärker gerüstet hätte Saudi Arabien ggf. auch einen stärkeren Einfluss auf Syrien und die Arabische Liga würde an eigener Einsatzfähigkeit gewinnen. Mit der ins Auge gefassten deutschen Panzerlieferung kann genau diesem Kalkül entsprochen werden.
    Das Eurofighter-Geschäft mit Indien ist ein weiteres gutes Beispiel, denn die Bundeswehr hat Eurofighter-Verträge aus Kalte-Krieg-Zeiten mit Stückzahlen, die wir bei weitem heute und in Zukunft nicht mehr brauchen. Dieses Rüstungsgeschäft mit Indien hätte diesbezüglich Kompensation bieten und dem deutschen Steuerzahler erhebliche Ersparnisse bringen können, bzw. dazu beitragen können, dass die aktuelle Weiterentwicklung der Bundeswehr auf solidere finanzielle Füße hätte gestellt werden können.
    Deutsche Rüstungsexporte müssen aber auch ökonomisch betrachtet werden. Die Exportnation Deutschland ist auf Export und auch auf Rüstungsexporte angewiesen. Der eigene Bedarf an Rüstungshochtechnologie ist stark geschrumpft. Die deutsche Rüstungsindustrie kann mit Produktion nur für die deutschen und Verbündeten Streitkräfte nicht leben. Krauss Maffei z.B. braucht dieses Geschäft mit Saudi Arabien zum wirtschaftlichen Überleben und zum Sichern von vielen Arbeitsplätzen.
    Es ist in deutschem Interesse, hochtechnologisches Rüstungs-Know-How zu erhalten, das geht heute und in Zukunft nur, wenn die Technologie auch in entsprechend wirtschaftlichen Stückzahlen verkauft werden kann. Die deutschen Streitkräfte und verbündete Nationen nehmen absehbar nicht genug Stückzahlen ab. Also müssen deutsche Rüstungsexporte in alle nicht verbündeten aber befreundeten Staaten oder in solche Staaten, mit denen politische und wirtschaftliche Kooperation gepflegt wird, möglich sein.
    Es muss in deutschem Interesse sein, in wirtschaftlich schwieriger werdenden Zeiten, Konjunktur und Wachstum zu fördern und das geht nur, wenn die Arbeitslosenzahlen möglichst niedrig gehalten werden. Als drittgrößter Waffenexporteur darf Deutschland deswegen im Rüstungsgeschäft möglichst keine Einbußen erleiden. Dass dabei Auflagen der UN beachtet werden, ist selbstverständlich.

  11. Günter N. Says:

    Auch solche Debatten müssen natürlich möglich sein. Ich verstehe von Sicherheitspoitik nicht genug. Nur ein paar Anmerkungen:
    Sicherheitspolitik aus dem Blickwinkel der Arbeitsplätze kann keine langfristig tragfähige Politik sein. Da könnte man sich schon eher ausdenken, wir kämpfen für ein EU- oder UN-Herr und liefern deutsche U-Boote und Gewehre so wie jetzt Japan Toyota-Geländewagen für die EZ-Community.
    Wer über Saudi Arabien nachdenkt und unseren Einfluss erhalten oder erhöhen will, der muss auch fragen, warum vondiesem Staat eine doch im Grunde aggressive Ausbreitung des Islam vorangetrieben wird. Zu guter Politik gehört immer, die Zeithorizonte mitzudenken. Während Europa in Legislaturperioden denkt (oder z. Z. noch körzer), denken China und die islamische Welt in Dynastien und Jahrhunderten. Was folgt für unsere Politik daraus?
    Ist es wirklich im deutschen Interesse außenpolitische Debatte mit dem Focus auf Sicherheitspolitik und auch Rüstungsgüter und Exporte zu führen? Könnte vielleicht mittel- und langfristig ein größeres Potential für deutsche Arbeitsplätze und Hochtechnologien darin liegen, die Insel von Freiheit und wohlstand zu vergrößern und als sichere zukünftige Exportmärkte anzusehen oder zu „erobern“. Warum fangen wir nicht einfach an und bauen wir in Afrika (Westsahahra (!) um gleich das ganze Völkerrechtliche Instrumentarium aufzurufen) unter deutscher oder europäischer Verantwortung neue Charter Cities (Paul Romer), das ist viel besser als Camps von korrupten Funktionären betreiben zu lassen und mit HIlfsgütern aus China zu versorgen. Dann brauchen wir auch weniger Militärtechnik, um die Flüchtlinge nach Europa davon abzuhalten, den Schenken-Raum zu erreichen.
    Nur noch als ALetztes: Natürlich ist jeder Krieg ein Angriff auf und die Leugnung der „Universalität der Menschenrechte“. Wieso sollten wir gegen die Todesstafe für Verbrecher zu Felde ziehen, wenn gar keiner mehr diskutiert, wieviel unschuldige zivile Opfer in Kriegen, auch in Libyen, zubeklagen sind. Dennoch bleibt das ein sinnvolles politisches Konzept! Am Ende ist in jedem konkreten Fall zu entscheiden, nicht nur nach der Anzahl der Betroffenen, sondern nach Chancen für einen nachhaltigen Erfolg (der kann manchmal eher erreicht werden, wenn Kriege zu Ende geführt werden, als wenn ise all zu schnell in unbrauchbare Friedenabkommen mit unwilligen Beteiligten münden. ich bin kein Pazifist, halte aber viel vom harten Kern des menschenrechtlichen Universalimus und damit von der Aufgabe, die Institution des Krieges abzuschaffen.
    Wir haben gerade des 100. Geburtstages von Carl Friedrich von Weizsäcker gedacht: Am Ende geht es eben nicht um Kalaschnikows und U-Boote, sondern um taktische und strategische Kernwaffen. Die gibt es auch heute noch, bald oder bereits in den Händen weit unverantwortlicher Leute als die Sowjetunion je Führer hatte!

  12. Felix Seidler Says:

    @Michael S.:

    Um es klar zu sagen: Ich für Rüstungsexporte als Mittel unserer Außenpolitik, aber ich bin ein Gegner privater Militärfirmen wie Blackwater. Der Staat kann, das ist okay, gewisse Dienstleistungen wie Wartung zukaufen (kann eine 180.000 Mann Armee ohnehin nicht mehr selbst leisten), aber das „Kerngeschäft“ muss in Staatshand bleiben, auch wenn ich es nicht so polemisch formulieren würde wie du.

    Die „Known Unknown’s“ und „Unknown Unknown’s” müssen wir natürlich im Auge haben. Aber dazu ist der Zustand der strategischen Wissenschaft in Deutschland viel zu schlecht. Eigentlich darf man kaum von einem Zustand sprechen. ISPK Kiel ist ein kleiner Hort dieser Disziplin in Deutschland. Bei der SNV tut sich ein etwas: Euro Strategic-Foresight , aber da gibt es ein paar Veranstaltungen und genau eine Publikation. Das war’s. Da Nachdenken für geo(-strategische) Entwicklungen und Geopolitik in Deutschland nicht stattfindet, sehe ich was den Umgang mit „Unknown’s“ angeht in der Praxis – also für politisches Handeln – ziemlich schwarz. Nötig wäre hier mehr Geld und die Schaffung entsprechender Stellen bei SWP, DGAp & Co. Aber das bleibt wohl ein Wunsch.

    @Hans-Heinrich Dieter

    Herzlichen Dank für das Lob. Genau das ist der Sinn der Sache hier: Themen mutig angehen, neue und frische Gedanken entwickeln. Ihrer Analyse ist nichts hinzuzufügen. Volle Zustimmung. Ich würde mir nur mehr Multipliktoren, Politiker und Experten wünschen, die das so offen ansprechen, wie Sie es hier tun.

    @Günter N.

    Natürlich ist das Ziel von Sicherheitspolitik nicht der Erhalt von Arbeitsplätzen. Dafür haben wir Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik (usw.). Strategisch betrachtet bietet der Erhalt von Arbeitspätzen in der Rüstungsindustrie einen wichtig Mehrwert, da so Know-How erhalten bleibt und technologische Forschung und Entwicklung hier weiter stattfindet.

    Stimmt, in anderen Ländern wird wesentlich langfristiger gedacht. Auf diesen Umstand gehe ich in diesem Kommentar oben schon ein.

    Ich denke schon, dass es in unserem Interesse ist, mal (sic!) die „außenpolitische Debatte mit dem Focus auf Sicherheitspolitik und auch Rüstungsgüter und Exporte zu führen“, denn es handelt sich um Aspekte, die bei uns kaum durchdiskutiert wurden. Aber dieses Land sollte, unabhängig vom Ergebnis, endlich die Debatten nachholen, die es Jahrzehnte lang verschlafen hat.

    Die „Insel“ von Freiheit und Wohlstand vergrößern wollen wir alle. Wie machen wir das? Da wird es schwierig, wie wir gerade in Nordafrika und im Nahen Osten erleben. Damit sich das Handeln und der politische Wille verändern (können), brauchen wir eine Debatte vor allem über die Themen, s. oben, die noch kaum diskutiert wurden. Anders wird es nicht gehen.

    Zum Abschluss – Ja, die westliche Politik muss sich abgewöhnen Militäreinsätze / Kriege nach dem, salopp gesagt, Motto zu beginnen: „Wir schicken erstmal Soldaten und gucken dann mal, was passiert.“ Den Krieg abschaffen will am Ende eigentlich auch jeder irgendwie, aber das ist so eine im Grunde tautologische Forderung wie das mit der Insel von Freiheit und Wohlstand.

    Taktische und strategische Kernwaffen sind per se kein Problem; außer für den Militärhaushalt des besitzenden Staates (s. Frankreich & Großbritannien). Das Problem sind unverantwortliche Inhaberstaaten wie eben bald Iran. Und da spannt sich wieder Bogen zu meinem Artikel – Da Iran in diesem Jahrzehnt virtuell oder offen Atommacht wird, ist es sinnvoll, das Israel die Dolphin U-Boote erhält. Allerdings denke ich, der deutsche Steuerzahl sollte nicht 2/3 der Kosten übernehmen.






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