NATO Takes On Afghan Security

Esther Pan, Council on Foreign Relations, 27.07.2006


Ob Kabul, Kandahar oder Kundus: Die Staaten des Nordatlantik-Paktes sind seit Anfang des Monats für die Sicherheit in allen Provinzen Afghanistans zuständig. Welchen Auftrag haben die Soldaten unter NATO-Kommando? Mit welchen Gefahren müssen sie rechnen? Kann die Afghanische Armee die Allianz-Truppen unterstützen und bald ihre Aufgaben übernehmen? Esther Pan vom Council on Foreign Relations gibt Antworten.

Die Taliban bedrohen durch ihre Attacken auf ausländische und afghanische Soldaten sowie die Zivilbevölkerung den ohnehin schwierigen Wiederaufbau Afghanistans. Wenn die internationale Gemeinschaft die radikalen Islamisten nicht bald in die Schranken weist, könnten diese Afghanistan soweit destabilisieren, dass die demokratisch gewählte Regierung zurücktreten muss.

Wie sicher ist Afghanistan derzeit?
Die Sicherheitssituation in Afghanistan verschlimmert sich zusehends. Die Taliban haben im vergangenen Jahr mehr als 2.000 Menschen getötet, die US-geführten Koalitionstruppen in einer Gegenoffensive im Juni und Juli mehr als 600 islamistische Kämpfer.

Wer sorgt für Sicherheit?
Zur Zeit kümmern sich drei Organisationen um die Sicherheit im zentralasiatischen Staat: Die Koalitionstruppen unter Leitung der USA, die von der NATO kommandierte „International Security Assistance Force (ISAF)“ und die afghanische Armee und Polizei. Die Vereinigten Staaten haben zur Zeit ungefähr 20.000 GIs im Einsatz, bis zum Jahresende sollen es nur noch 16.000 sein. Sie werden durch 7.500  Soldaten aus verschiedenen Ländern verstärkt. Die NATO verfügt über ein Kontingent von 12.000 Mann; dies soll bis 2007 um 8.000 Soldaten aufgestockt werden. Afghanistans Armee (ANA) hat zur Zeit eine Stärke von 40.000 Soldaten, bis 2008 sollen es 70.000 Männer sein.  Die ANA hat sich durch ihr professionelles Gebaren und ihren Mut enormen Respekt bei den amerikanischen Soldaten verschafft: Die GIs wollten stets mit den afghanischen Soldaten zusammen im Einsatz sein, sagte einer der ehemaligen amerikanischen Kommandeure. Die ANA verlässt sich allerdings noch immer sehr stark auf die Hilfe durch amerikanisches Equipment, vom Ausland bezahlten Sold und internationale Militärexperten.

Welche Truppen sollen im besonders unruhigen Süden eingesetzt werden?
3.000 Briten, 2.200 Kanadier und 1.500 Holländer sollen in den stark umkämpften südlichen Provinzen Helmand, Kandahar und Oruzgan Taliban und Aufständische bekämpfen. Kleine Kontigente dänischer und rumänischer Truppen sind ebenso dort stationiert. Die USA bleiben vorerst für die Provinz Zabol zuständig. Des Weiteren hat das nicht zur NATO gehörige Australien mehrere große Spezialeinheiten nach Afghanistan entsendet, diese haben sich durch ihren unermüdlichen Kampf bereits große Meriten erworben.

Mit welchen Gefahren müssen die Soldaten rechnen?
Die ausufernde Gewalt im Süden Afghanistans und die Unfähigkeit der Regierung in Kabul, sich im Land durchzusetzen, sind vermutlich die größte Bedrohung für die ausländischen Truppen. Das Land leidet zudem noch immer unter der weit verbreiteten Korruption, dem Drogenanbau und -schmuggel sowie dem Mangel an Rechtsstaatlichkeit. Die ISAF-Truppen sind von der UN mit einem Mandat ausgestattet, welches ihnen den begrenzten Kampf gegen Drogen erlaubt. Dabei müssen sich die Soldaten aus den verschiedenen Mitgliedsländern allerdings an unterschiedliche Einsatzbefehle halten: Die einen dürfen schießen, um Gegner zu töten. Die anderen dürfen ihre Waffen nur benutzen, um sich selbst zu verteidigen. Die NATO-Mission hat zudem das Problem, dass sie nur über wenige Transport-Hubschrauber und Kampfbomber verfügt. Wenn die Amerikaner diese nicht bereitstellen, reduziert dies die Effektivität und Schlagkraft der ISAF-Truppen empfindlich.

Welche Rolle spielen die regionalen Wiederaufbau-Teams?
Die NATO befehligt 9 regionale Wiederaufbau-Teams, die von der USA geführten Koalitionstruppen 14. Da die Sicherheitslage in den meisten Provinzen so prekär ist, muss ein Großteil der eigentlich für den Wiederaufbau gedachten Gelder für die Sicherheit der Teams ausgegeben werden. „Die Wiederaufbau-Teams zeigen Flagge, mehr nicht“, meint denn auch ein Experte.

Wie mischt sich Pakistan in seinem Nachbarland ein?
Viele Afghanen beschuldigen Pakistan, den Taliban absichtlich ein sicheres Rückzuggebiet zu bieten. Pakistans Präsident Pervez Musharraf und andere Regierungsvertreter bestreiten dies zwar, nach Ansicht vieler Experten haben die Pakistanis allerdings ihre Hände im Spiel. Die Unterstützung der Taliban könnte strategischen Zielen Pakistans dienen: Musharraf gewinnt so an Einfluss bei religiösen Parteien und Islamisten, hindert den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai daran, sich zu sehr an Indien anzunähern und stärkt so die Positions Pakistans nach einem Abzug amerikanischer Truppen in der Region.

Zusammenfassung erstellt von Matthias Tonhäuser (03.08.2006)