Überzeugte Europäer sollten die Stimme des Volkes nicht fürchten. Viele Bürger trauen der Europäischen Union weder die Kraft noch die Fähigkeit zu, die derzeitige Staatsschulden- und Vertrauenskrise zu bewältigen. Der Verlust an Glaubwürdigkeit ist immens. Dieser deprimierende Befund ist der Nährboden für Skepsis, ja Ablehnung gegenüber weiteren Integrationsschritten. Und da können noch so viele Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft „mehr Europa, nicht weniger“ fordern.
Im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Staaten konnte sich in Deutschland bislang keine Partei etablieren, die die grassierenden Ängste und Vorurteile erfolgreich auszuschlachten vermag. Aus den kritischen Stimmungen sind keine Stimmen für populistische Kräfte geworden. Noch nicht! Aber es gibt die hinlänglich bekannte Taktik europhober Kräfte, immer dann eine Volksabstimmung über Europas Zukunft ins Spiel zu bringen, wenn es besonders schlecht um die EU steht. Bislang half in dieser Frage ein Blick in das deutsche Grundgesetz, das Volksabstimmungen mit Ausnahme von Länderneugliederungen nicht vorsieht. Das kann man beklagen, aber es ist nun einfach mal so.
In seiner mittlerweile mehr als 60-jährigen Geschichte hat sich das Grundgesetz als ausgesprochen integrationsfreundlich erwiesen. Nach über Jahrzehnten hinweg herrschender Auffassung stand einem vereinten Europa mit einer föderalen, demokratischen und rechtsstaatlichen Struktur nichts im Wege. Die Entwicklung Deutschlands in einer sich immer weiter vertiefenden Europäischen Union schien offen. Weiterlesen