Ob bewusst forciert oder hineingewachsen, Deutschland ist heute bereit, Soldaten in Krisenregionen zu entsenden, um seiner Rolle als verantwortungsvolle Mittelmacht gerecht zu werden. Die Bundeswehr ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer international akzeptierten und gefragten Einsatzarmee gereift. Von einem allgemeinen Konsens über die Bedeutung und Risiken von Auslandseinsätzen ist die Bundesrepublik allerdings noch weit entfernt. Die sicherheitspolitische Community sollte zwischen den divergierenden Interessen in Politik und Gesellschaft stärker vermitteln.
Was Anfang der 1990er Jahre als vorsichtige logistische und medizinische Unterstützung der Bündnispartner begann, ist zu einer festen Option des politischen Willens in Deutschland geworden. Längst beschränken sich die Aufträge an die Streitkräfte auch nicht mehr auf Hilfs- oder Unterstützungsmaßnahmen, sondern können wie in Afghanistan „robuste Mandate“ umfassen, deren Aufgabenspektrum und Intensität die Bundesrepublik de facto zu einem kriegführenden Akteur gemacht haben. Der Prozess der sicherheitspolitischen Normalisierung ist ohne Zweifel weit vorangeschritten. Grundsätzliche Fragen wurden jedoch nie allgemeingültig geklärt: Wofür sollte die Bundeswehr entsendet werden? Welches Ausmaß dürfen ihre Einsätze annehmen? Die heftig kritisierte deutsche Position bei der militärischen Intervention der NATO in Libyen 2011 hat abermals gezeigt, dass in Politik und Öffentlichkeit weder Stringenz noch Klarheit in sicherheitspolitischen Fragen vorherrschen.