Deutschland als ehrlicher Makler in Asien?

Felix Seidler │ 21. November 2011



Deutschland muss dank europäischer Handlungsunfähigkeit selbst auf die amerikanische Hinwendung Richtung Pazifik reagieren. Kann sich Berlin erfolgreich als ehrlicher Makler hinter den Kulissen platzieren, lassen sich vielleicht die transatlantischen Beziehungen und die EU als internationaler Akteur wiederbeleben. Dabei ist Deutschlands wichtigstes Kapital Vertrauenswürdigkeit. Reagieren kann nur Deutschland.

Während Asien auf den Gipfel des Mount Everest politischer Bedeutung zusteuert, zieht der Schuldenstrudel Europa immer tiefer Richtung Grund deren Marianengrabens (11034m). Was schon länger erkennbar war, wurde diese Woche offiziell: Die USA wenden sich endgültig von Europa ab und konzentrieren sich auf den Pazifik. In der 20 Uhr Tagesschau erfährt man dann in Sachen Bali-Gipfel, dass Europa auf diesem sehr bedeutendem Treffen noch nicht einmal mit Beobachtern präsent war.


Da anzunehmen ist, dass Europa bald mit voller Wucht in 11034m Tiefe aufschlägt, stellt sich die Frage, wie europäische Politik und Deutschland auf die Abwendung der USA reagieren können. Es bleibt alleine bei der Frage nach Reaktion, denn Europa fehlt sowohl Position, wie Fähigkeit, wie Wille zur Initiative. Von der EU als Ganzes darf man dabei gar nichts mehr erwarten; eine Begründung dafür ist mittlerweile auch überflüssig. Da in Paris, Rom, Madrid und anderswo gerade nur verzweifelte Überlebenskämpfe ausgefochten werden, liegt es an Deutschland, auf die amerikanische Abwendung zu reagieren.


Wieder ein Ehrlicher Makler?

Ohne Zweifel ist Deutschland für die asiatischen Staaten als Partner attraktiv. Sonst würden China und Indien keine gemeinsamen Regierungskonsultationen mit Deutschland abhalten. China tut dies mit keinem anderen Land außer Deutschland! Berlin ist also in der Position, dass es auf die Entwicklungen noch reagieren kann.

Ein wichtiger Staat wie Deutschland muss in jeder Situation ein Auge dahin werfen, wo die Musik spielt. Insbesondere dann, wenn eine Grundkonstante deutscher Außenpolitik, sprich die transatlantischen Beziehungen, in den letzten zwei Jahren de facto nicht existent waren. Mit konstruktivem Engagement könnte sich die deutsch-amerikanische Partnerschaft über den Pazifik wiederbeleben lassen.

Deutschlands Bonus ist, dass auf der einen Seite attraktiv ist und Vertrauen genießt, auf der anderen Seite aber keine unmittelbaren geostrategischen oder sicherheitspolitischen Interessen im asiatisch-pazifischen Raum verfolgt. Damit hat Deutschland die Möglichkeit, in Anlehnung an Bismarck 1878, die Rolle eines ehrlichen Maklers einzunehmen. Berlin kann seinen Einfluss und seine Rolle steigern, wenn es auf den Versuch verzichtet, für Deutschland und Europa unmittelbare materielle oder politische Vorteile zu gewinnen und dadurch weiter an Vertrauenswürdigkeit gewinnt.

Mit China Vertrauen aufbauen
Während die konventionelle, nukleare und elektronische Rüstungsspirale in Asien immer schneller und höher dreht, erodiert natürlich , egal was offiziell behauptet wird, das Vertrauen zwischen den USA und China. Speziell in Sachen Militär.

Hier kann Deutschland etwas tun, da China ja Vertrauen zu Deutschland hat. Pekings Heer, Luftwaffe und Marine haben kaum Erfahrungen mit Joint Operations. Da China international, wie im Golf von Aden, immer aktiver wird und mit mehr chinesischen Aktivitäten dieser Art zu rechnen ist, könnte Deutschland hier einen Beitrag leisten. Dies muss nicht in einer formalisierten oder institutionalisierten Partnerschaft geschehen, aber warum sollte die deutsche Marine nicht mal mit den PLAN-Schiffen am Horn von Afrika ein paar Tage gemeinsam üben, wenn ohnehin nebeneinander her segelt.

Je globaler Chinas Marine wird, desto besser ist es, wenn dort ein westlicher Staat ist, der zu dieser Marine über vertrauensbildende Maßnahmen eine gute Beziehung aufgebaut hat. Die Umsetzung ließe sich verhältnismäßig leicht in die Wege leiten, denn die Bundesregierung müsste nur darum bitten, die Diskussion einer solchen Kooperation auf die Tagesordnung der nächsten Regierungskonsultationen zu setzen. Man hört ja auch, chinesische Stellen hätten in der Vergangenheit wohl schon Interesse an derartiger Kooperation geäußert.

Hinter den Kulissen arbeiten

Klar ist aber auch, jedwede Kooperation mit China darf Deutschlands gute Beziehungen mit Japan und Indien nicht aufs Spiel setzen. Das ist ein Akt der Balance, soviel ist klar. Nichtsdestotrotz dürfte jeder der Bundesregierung in der aktuellen Situation Europas glauben, dass Deutschland keine geostrategischen und sicherheitspolitischen Interessen in Asien verfolgt. Eben diese Glaubwürdigkeit könnte man nutzen. Schließlich haben wir mit Japan schon lange gute Beziehungen, mit Indien ja die Regierungskonsultationen und ASEAN-Mitglied Vietnam sehnte sich förmlich nach einem Besuch der Kanzlerin.

Deutschland wird natürlich zwischen den USA, China, Japan, Indien und ASEAN niemals eine prominente, öffentliche Rolle spielen. Muss es auch nicht. Wenn wir hinter Kulissen konstruktiv, still und leise durch Diplomatie an der Entschärfung von Konflikten und Lösung von Problemen mitarbeiten, wo immer dies gewünscht wird, bringt uns dies noch mehr Vertrauen ein. Dabei wäre es am besten, wenn die Arbeit des ehrlichen Maklers niemals öffentlich bekannt würde. Kann es eine bessere Situation geben, in der andere Staaten wissen, wenn ich still und leise einen konstruktiven und ehrlichen Vermittler brauche, kann ich mich immer an Deutschland wenden?

Die Umsetzung dessen ist allerdings ziemlich schwer, denn dafür müssten in Berlin die diversen Lecks an die Presse gestopft werden. Wer ein erfolgreicher ehrlicher Makler sein will und dadurch Prestige wie Einfluss gewinnen möchte, muss den Mund halten können, bzw. vergessen, dass Dinge jemals passiert sind; Stichwort „plausible deniability“.

Europa reanimieren
Wenn Europa langsam vom Grund des Marianengrabens wieder auftaucht, ist es dann an Deutschland, die EU als internationalen Akteur zu reanimieren. Diese Wiederbelebung wird eine ganze Weile dauern und der europäische Patient wird eine lange Rehabilitationsphase brauchen. Je besser jedoch Deutschlands Position ist, desto einfacher wird es, wenn der Wille in Berlin dann dafür da ist, die EU von der Intensivstation wieder auf die internationale Bühne zurückzuführen.

Lesenswertes
Kleine-Brockhoff, Thomas; Maull, Hanns W. 2011: Der überforderte Hegemon. Über Ziele und Zwecke deutscher Außenpolitik, IN: Internationale Politik, 66 (6), 50-61.
Sandschneider, Eberhard 2011: Der erfolgreiche Abstieg Europas. Heute Macht abgeben, um morgen zu gewinnen. München.

(Foto: Torsten Rissmann & Michael Weis )

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