Is the Sun Setting on US Dominance? – Part II

Jiang Qian, YaleGlobal, 29. 02. 2008

Viele Politikexperten sagen eine multipolare Weltordnung voraus, in der die USA ihre Rolle als einzige Weltmacht in zunehmendem Maße gegen China, Russland, Japan, Indien und die EU verteidigen werden müssen. Diese Analysten verwechseln nach Ansicht des Autors das immense Potential dieser Länder mit ihrem tatsächlichen Einfluss. Sie übersehen oftmals die ungemeinen inneren Probleme, die diese Länder zu bewältigen haben, um ihre Möglichkeiten ausschöpfen zu können. Vor allem aber unterschätzen Experten oftmals den vollen Umfang der strategischen Interaktionen zwischen diesen Großmächten und die Chancen, die sich daraus für die USA ergeben

Die EU verfügt über die bei weitem größte Wirtschaft der potentiellen neuen Weltmächte, eine starke Währung und eine vergleichsweise große und wohlhabende Bevölkerung. Die Union leidet aber noch immer unter einem schwach entwickelten Verteidigungssystem, das von der NATO abhängig ist, und einer schwachen Exekutivgewalt in Brüssel. Die EU verfolgt in Nachbarregionen wie Nordafrika und Zentralasien strategische Interessen, aber nicht um eine Weltmachtstellung zu erreichen, sondern vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Das europäische Bündnis ist nach Ansicht Qians auch deshalb noch nicht weltmachtsfähig, weil es noch nicht geeint ist.

Russland erlebt nach der jüngsten Stabilisierung seiner Wirtschaft einen Aufschwung. Es hat aber noch mit einigen schwerwiegenden Problemen zu kämpfen, die den Aufstieg zur Weltmacht verhindern können: Die russische Bevölkerung altert und schrumpft. Die Rohstoffindustrie macht 80 % der russischen Exporte und 30 % des Staatshaushaltes aus, während seine verarbeitende Industrie größtenteils veraltet und international nicht konkurrenzfähig ist.

Japan grenzt als geographisch kleiner, ressourcenarmer Inselstaat an die bevölkerungsreichen Kontinentalländer Russland und China. Die japanische Bevölkerung ist wohlhabend und größtenteils pazifistisch, in einer Weltregion, in der Nationalismus noch weit verbreitet ist. Seine jetzige wirtschaftliche Stärke garantiert keinen zukünftigen Einfluss. Mit dem Machtgewinn seiner Nachbarn China und Russland wird Japans Position automatisch schwächer werden.

Indien ist ein vielfältiges und noch immer armes Land. Seine verarbeitende Industrie und Infrastruktur benötigen eine gründliche Instandsetzung. Indien ist des Weiteren in einer unvorteilhaften geographischen Position: Eingeengt zwischen den China-freundlichen, Indien keineswegs freundlich gesonnenen Ländern Pakistan und Burma und dem Himalaja, belastet durch Grenzstreitigkeiten mit China, können nach Ansicht Qians geopolitische Ambitionen Indiens nicht gedeihen, solange seine Grenzen nicht vollkommen gesichert sind.

China ist ebenfalls ein insgesamt armes Land, das unter inneren Spannungen leidet. Im Gegensatz zu Europa und den USA bietet seine gegenwärtige Regierungsform keine ideologische Strahlkraft. Sein Militär befindet sich im Vergleich zu Russland und Japan in einer Aufbauphase. In jüngster Zeit ist es üblich geworden, Chinas Projekte in Afrika und Südamerika als Expansionen zu bezeichnen. Es wäre angemessener, von Merkantilismus zu sprechen. China spielt in seiner unmittelbaren Umgebung – in Südostasien, Zentralasien und der koreanischen Halbinsel - in der Tat eine geopolitisch bedeutsame Rolle. Dies zeigt aber nur, dass China immer noch in regionale Gegebenheiten verstrickt ist. Im Gegensatz dazu nehmen die USA ihren Anspruch auf Einfluss in Südamerika als selbstverständlich hin. China muss seine geopolitischen Ambitionen mit denen seiner drei mächtigen Nachbarstaaten- Russland, Japan, Indien – erst in Einklang bringen.

Alle rising powers haben mit regionalen Schwierigkeiten zu kämpfen. Russlands Westgrenze scheint angesichts der fortschreitenden EU-Osterweiterung unsicherer zu werden. Seine sibirischen Besitztümer könnten das Interesse der gigantischen Bevölkerungsmasse in Nordchina erwecken. Japans Einfluss wird durch China begrenzt, Indiens Ausdehnung durch Pakistan und Burma, beides enge Verbündeten Chinas, erschwert.

Übrig bleiben die USA, gesichert in ihrer geographischen Isolation, als einziges Land mit einem wirklich globalen Einfluss. Eine realistische US-Außenpolitik sollte versuchen, die aufstrebenden Regionalmächte in ihrer Nachbarschaft zu binden. Regionale Allianzen wie die der USA und Japans werden wichtiger sein als globales Wettstreiten um Einflusszonen, wie dies in einer multipolaren Welt der Fall wäre. Die USA müssen ihre strategischen Interessen genauer bestimmen. Solange aber die rising powers um regionale Machtbereiche wetteifern, werden die USA ihre Stellung als einzige Weltmacht behalten – auch wenn diese Machtposition zu bröckeln scheint.

Zusammenfassung erstellt von Manuel Weitnauer (14.03.2008)