Israel in die NATO!

Ralf Fücks, Spiegel Online, 20.07.2006

Der Konflikt im Libanon hat seit dem Beginn der Kämpfe am 12. Juli 52 Menschen in Israel und 423 in Libanon das Leben gekostet. Derzeit ist ein Ende der Gewalt zwar nicht abzusehen, aber man sollte sich bereits jetzt Gedanken machen, wie man den Frieden nach dem Ende der Kämpfe sichern könnte. Ralf Fücks, Vorsitzender der den Grünen nahe stehenden Heinrich-Böll-Stiftung, schlägt auf Spiegel Online vor, Israel in die NATO aufzunehmen.
 
Hisbollah-Attacke der Funken zur Lunte des Pulverfasses Nahost?
Bürgerkrieg im Irak, Atomstreit mit dem Iran, Geiselkrise im Gaza-Streifen: Es gab schon mehr als genug aktuelle Konflikte in Nahen Osten, als die Hisbollah vor zwei Wochen den Norden Israels überfiel und zwei Soldaten entführte. Dies könnte der Funke sein, der die Lunte zum Pulverfass Nahost anzündet: Israel blieb nach der Verschleppung der Wehrpflichtigen keine andere Wahl, als die Stützpunkte der Terrororganisation Hisbollah im Libanon anzugreifen. Die Entführung und der darauf einsetzende Raketenbeschuss stellten die Existenz des jüdischen Staates in Frage. Obwohl die Israelis sich also unter politischen und rechtlichen Gesichtspunkten gesehen lediglich verteidigen, rechtfertigt dies jedoch keine Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Die Bombardierung von Wohngebieten im Libanon ist menschlich unhaltbar.

Nur die internationale Gemeinschaft kann den Frieden sichern
Wenn die internationale Gemeinschaft den Konflikt politisch lösen möchte, sollte sie dafür Sorge tragen, dass die israelischen Soldaten freigelassen werden und der Norden Israels nicht länger beschossen wird. Die UNO sollte eine mit einem „robusten Mandat“ (die Soldaten dürfen in Kämpfe eingreifen) ausgestattete Friedenstruppe im Südlibanon stationieren. Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zeigen sich derzeit allerdings wenig gewillt, eine solche konfliktträchtige Mission zu übernehmen. Generell ist es aber sehr sinnvoll, das Konfliktmanagement im Nahen Osten in die Hände der Weltgemeinschaft zu legen. Internationale Truppen könnten beispielsweise einen Rückzug der Israelis aus dem Westjordanland decken.

Iran der Schlüssel zur Lösung des Konflikts
Iran nimmt im Nahen Osten eine Schlüsselrolle ein: Das ehemalige Persien hat bei allen Konflikten der Region seine Finger im Spiel. Wenn die Vereinigten Staaten und die Europäische Union bei den arabischen Staaten um Unterstützung für eine harte Linie gegen das Regime in Teheran werben möchten, müssen sie nachhaltig für eine friedliche Beilegung des Nahost-Konflikts eintreten.

Garantiert die NATO Israels Sicherheit, könnte sich die Lage entspannen
Will die internationale Gemeinschaft für Frieden im Nahen Osten sorgen, muss sie zuerst den Mangel an gegenseitigem Vertrauen zwischen Israelis und Palästinenser beseitigen. Viele Palästinenser glauben, die Israelis seien  gar nicht zu einer Verständigung bereit. Die Israelis sind gleichzeitig überzeugt, dass die Palästinenser gar nicht zu einem Frieden fähig sind.
Welcher Akteur könnte also als Treuhänder Frieden und Sicherheit im Nahen Osten garantieren? Die Mehrheit der Israelis vetraut der UNO nicht, EU und USA sind aus unterschiedlichen Gründen mit der Aufgabe überfordert. Die NATO muss diese Aufgabe übernehmen: Israel hätte durch die Beistandsgarantie des Nordatlantik-Pakts die politische und psychologische Sicherheit, um den Palästinensern die Gründung eines eigenen Staates zu erlauben. Eine Mitgliedschaft Israels in der NATO würde zudem bewaffnete Konflikte in Zukunft unwahrscheinlicher werden lassen: Die Israelis müssten sich stets mit ihren NATO-Partner absprechen, die Palästinenser würden wegen eines möglichen Einschreitens der israelischen NATO-Allierten vor Terrorattacken zurückschrecken. Die Weltgemeinschaft sollte Palästina gleichzeitig Wiederaufbauhilfen nach dem Vorbild des amerikanischen Marshall-Plans gewähren. Die Hilfsgelder müssten natürlich an die Bedingung geknüpft sein, dass die palästinensische Regierung einen demokratischen Rechtsstaat aufbaut. Für den Erfolg dieses Vorschlags ist es wichtig, dass die arabischen Staaten den Beitritt Israels zur NATO nicht als Machtpolitik des Westens verstehen, sondern als Verbesserung der kollektiven Sicherheit im Nahen Osten.

Zusammenfassung erstellt von Matthias Tonhäuser (28.07.2006)