Satt oder platt ? – Die Konsequenzen von TTIP für die europäische Landwirtschaft

Jakobine Janucek │ 11. Februar 2016



Bei der „Wir haben es satt!“-Demonstration gegen die aktuelle Agrarpolitik, die im Januar zum sechsten Mal zeitgleich mit der Internationalen Grünen Woche in Berlin stattfand, trugen die laut Polizei-Angaben 13.500 Demonstranten auch ihre Ablehnung der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zur Schau.

Der US-amerikanisch-deutsche Handel im Agrarbereich ist im Vergleich zu anderen Sektoren recht schwach ausgeprägt. Doch Kritiker fürchten eine Absenkung der europäischen Lebensmittel- und Landwirtschaftsstandards durch das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. TTIP soll verschiedene Handelsbarrieren zwischen beiden Partnern im Landwirtschaftssektor, wie Zölle, Zollkontingente und sogenannte nicht-tarifäre Maßnahmen (NTM) verringern, um Produkten aus der Partnerregion den Zugang zum jeweils anderen Markt zu erleichtern.

Agrar1Nach Schätzungen des Amerikanischen Landwirtschaftsministeriums belaufen sich die Zoll-Äquivalente in diesen Bereichen auf 120 Prozent. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstreicht, dass zum Beispiel doppelte Zulassungs- und Testverfahren für die mittelständisch geprägte deutsche Ernährungswirtschaft einen hohen Aufwand bedeuten, der unter TTIP wegfallen würde. Gleichzeitig soll auch ein hohes Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzniveau im Einklang mit dem Besitzstand der EU und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten durch das Abkommen gefördert werden. Das BMEL fordert auch eine Zusammenarbeit beim Tierschutz. Das BMEL hat auch einen Frage-und-Antwort-Katalog zu Verbraucherschutz und TTIP zusammengestellt.

Neben der weit verbreiteten Sorge um die Standards muss in den Verhandlungen auch die Frage nach wirtschaftlichen Vor- oder Nachteilen behandelt werden. Eine Studie des Europäischen Parlaments zu den durch TTIP entstehenden Chancen und Risiken kommt zu dem Schluss, dass die landwirtschaftliche Wertschöpfung in der EU durch TTIP um 0,5 Prozent sinken wird, während sie in den USA um 0,4 Prozent steigen sollte. In die gleiche Richtung gehen auch Ergebnisse einer Studie des US-Landwirtschaftsministeriums zu TTIP.

Dr. Katarina Reuter, Vertreterin von UnternehmensGrün, eines Verbands für grüne Wirtschaft, der ebenfalls gerade eine Studie zum Thema veröffentlicht hat, erklärt:

„Landwirte und Lebensmittelverarbeiter exportieren kaum in die USA, die überwältigende Mehrheit der Unternehmen in Europa hat von einem Freihandelsabkommen mit den USA darum vor allem zusätzliche Konkurrenz zu erwarten (…) Wenn Export Unternehmensziel ist, wird dieser auch bereits umgesetzt. (…) Die starke Orientierung auf heimische Märkte durch kleine und mittlere Betriebe der Agrar- und Ernährungswirtschaft wird aber fatalerweise völlig außer Acht gelassen, wenn Handel als Allheilmittel gepredigt wird.“

Die Studie fügt hinzu, dass es europaweit kaum sektorspezifische Untersuchungen darüber gibt, wie TTIP Unternehmen, die nicht exportorientiert arbeiten, berühren wird.

Die unterschiedlichen Strukturen, geographischen Gegebenheiten und landwirtschaftlichen Traditionen machen den Agrarbereich, vor allem jenseits der Großindustrie, zu einem besonders schwierigen Feld für TTIP.

Außerdem gibt es EU-weit sehr große Unterschiede, wieviel die Landwirtschaft zu den Gesamt-Exporten des Landes beiträgt. Laut EU-Studie steht Deutschland mit knapp 3% an drittletzter Stelle, nur Tschechien und die Slowakei exportieren prozentual weniger Agrarprodukte. Für die Spitzenreiter Litauen und Lettland, wie auch die Niederlande, Polen, Spanien, Portugal und Frankreich machen landwirtschaftliche Exporte über 10% aller Ausfuhren aus.

Agrar2

Wegen der unterschiedlichen europäischen Strukturen und Gewichtungen, und weil noch nicht klar ist, welche Regeln genau in TTIP festgeschrieben sein werden, ist es schwierig, in der Landwirtschaft genaue Prognosen anzustellen. Darauf weist auch der Deutsche Bauernverband hin. Auch die Studien basieren auf unterschiedlichen Annahmen, aber die EU scheint im Moment nicht auf der Gewinnerseite zu stehen.

Jakobine Janucek ist Redakteurin von

Dieser Beitrag ist Teil unseres Projektes „TTIP Review“ auf atlantic-community.org, unserem Open Think on Foreign Policy und gefördert durch die US Botschaft Berlin. Dort finden Sie weitere englischsprachige Artikel zu TTIP und Informationen zu unserer redaktionellen Unabhängigkeit. Unsere deutschsprachigen Artikel zur transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft stehen hier.

Quelle der beiden Graphiken: Studie des Europäischen Parlaments

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