Angst statt Argumente: der Mediendiskurs zu TTIP

Daniel Florian │ 02. Oktober 2014



Daniel FlorianWer im politischen Berlin etwas auf sich hält, wettert derzeit gegen das Freihandelsabkommen mit den USA. Es scheint, als habe sich eine ganze Protest-Industrie gegen das TTIP-Abkommen in Stellung gebracht - von Attac über Campact bis zum linken Flügel der SPD und den Grünen.

Im Eifer des Gefechts nimmt man es dann mit Fakten nicht allzu genau. Immer wieder wird unter anderem die Investitionsschutzklausel kritisiert, die es Unternehmen ermöglicht, Schiedsgerichte anzurufen um einen Konflikt mit einer Regierung zu lösen. Auch der ARD-Sender 3Sat berichtete in seiner TTIP-Dokumentation “Gefährliche Geheimnisse” kritisch über die Schiedsgerichte.

Ich habe den Sender daraufhin per E-Mail angeschrieben, weil mir die Argumentation nicht ausreichend recherchiert schien:

mit Interesse habe ich gerade Ihre Sendung “Gefährliche Geheimnisse” über das TTIP gesehen. Dort sind Sie auch auf das Thema Investorenschutz eingegangen. Dabei wird ja oft behauptet - auch in Ihrer Sendung - dass Investitionsschutzklauseln die Demokratie unterwandern, weil Unternehmen damit gegen Gesetze vorgehen können, die ihrem Geschäftsinteresse widerlaufen. (…)

entspricht es denn der Realität, dass Investitionsschutzverfahren in der Regel zum Nachteil des Beklagten ausgelegt werden? Werden also tatsächlich demokratisch legitimierte Entscheidungen rückwirkend ausgehebelt? Oder entscheiden solche Schiedsgerichte tendenziell zugunsten demokratisch legitimierter Entscheidungen und verbuchen gesetzliche Neuregelungen als “normale” politische Risiken (das wäre ja auch eine mögliche juristische Interpretation)?

Ich frage, weil es ja schon eine Vielzahl unterschiedlicher Investitionsschutzklauseln gibt und dementsprechend vermutlich auch eine ganze Menge an Präzedenzfällen zu Schiedsverfahren, die einen Hinweis darauf geben könnten, ob die Befürchtungen hinsichtlich der Investitionsschutzklauseln gerechtfertigt oder übertrieben und politisch motiviert sind? Gibt es dazu Statistiken, die Sie im Verlauf der Recherchen eingesehen haben?

Eine Antwort habe ich nicht erhalten. Warum das so ist, steht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen: Schiedsgerichte unterminieren die Demokratie nicht. Zahlen der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen zeigen, dass Schiedsgerichte in 41 Prozent der Fälle zugunsten der beklagten Staaten entschieden haben und in nur 31 Prozent der Fälle zugunsten der Investoren.

Offensichtlich wollten die 3Sat-Redakteure ihre Geschichte nicht “kaputt recherchieren”. Böse formuliert könnte man auch sagen: viele Journalisten wollen es nicht besser wissen.

Es liegt eigentlich auf der Hand, dass man als Journalist anhand von verfügbaren Zahlen und Fakten nachprüft, ob der Vorwurf von konzernfreundlichen Schiedsgerichte tatsächlich zutrifft. Dennoch haben viele Journalisten lieber die Schreckensszenarien von NGOs kolportiert anstatt deren Zahlen kritisch zu hinterfragen.

Natürlich gibt es eine Reihe von Gründen, weswegen man gegen TTIP sein kann. Es gibt auch legitime Einwände gegen Schiedsgerichte (einige davon nennt auch der oben verlinkte Artikel der FAZ). Die polemische, undifferenzierte und oft auch kenntnisfreie öffentliche Diskussion über TTIP zeigt aber, dass der öffentliche Diskurs zunehmend nicht durch Aufklärung sondern durch Fehlinformation geprägt ist. Statt einem “Marktplatz der Ideen” entwickelt sich der Diskurs immer mehr zu einem “Marktplatz der Angst”, wo derjenige gewinnt, der am meisten Angst in der Bevölkerung schüren und dadurch den Diskurs bestimmen kann.

So auch im Fall der 3Sat-Doku. Die “gefährlichen Geheimnisse”, vor denen 3Sat gewarnt hat, stellten sich letzten Endes weder als gefährlich heraus, noch als geheim. Man hätte nur fragen müssen.

Daniel Florian ist Account Director im Berliner Büro der Public-Affairs-Beratungsgesellschaft g+ europe. Er ist außerdem Herausgeber des Think Tank Directory Deutschland .

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