Die deutsche Russland- und Ostpolitik war nach dem Ende des Kalten Krieges von einem Nebeneinander von Integration und Kooperation geprägt: Integration in die EU und NATO, dort, wo gewünscht und möglich, Kooperation dort wo keine Integration möglich oder gewünscht war. Langfristiges Ziel war eine europäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands. Auch wenn dieses Ziel nicht aufgegeben wird, ist es jetzt aufgrund des russischen Verhaltens während der Ukraine-Krise weit in den Hintergrund gerückt. In der jetzt beginnenden neuen Phase geht es um ein Nebeneinander von Kooperation und Konflikt nach dem Motto „Zusammenarbeit, wo möglich, Risikovorsorge und Gefahrenabwehr, wo nötig“.
Die gesamteuropäische Friedensordnung in der Zeit der Blockkonfrontation
Langfristiges Ziel sollte nach wie vor eine gesamteuropäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands bleiben. Allerdings haben sich mit den autoritären Entwicklungen in der russischen Innenpolitik, der Abwendung der russischen Führung von Europa, der Annexion der Krim und dem kriegsähnlichen Konflikt in der Ost-Ukraine die Rahmenbedingungen für diese Politik geändert. Wir stehen daher am Beginn einer neuen Phase der deutschen Ost- und Russlandpolitik.
Die wesentlich von Willy Brandt und Egon Bahr geprägte entspannungspolitische Phase der Ostpolitik setzte den Macht- und Systemkonflikt zwischen Ost und West voraus. Der Machtkonflikt wurde durch zahlreiche Vereinbarungen eingehegt, seine Folgen durch die Vereinbarung menschlicher Erleichterungen abgemildert. Der Systemkonflikt wurde nicht geleugnet. Im Gegenteil: Parallel zum Beginn der Entspannungspolitik wurden innerhalb der DDR die Abgrenzung gegenüber dem „Sozialdemokratismus“ und innerhalb der Bundesrepublik Deutschland mit dem Radikalenerlass die Abgrenzung gegenüber dem Kommunismus betont.