Zwischen Welten

Christian E. Rieck │ 01. April 2014



DaumZWISCHEN WELTEN ist ein Film über die Zaghaftigkeit. In Afghanistan dienen die letzten deutschen Soldaten vor ihrem endgültigen Abzug zwar mit Engagement und Herzblut. Doch bleiben sie eingezwängt in die bürokratische Befehlskette und gegängelt vom Kleinmut der anonymen Vorgesetzten, ihrer letzten militärischen Fähigkeiten beraubt, bewaffnet nur noch mit Schreibtisch und Telefon.

Die Zwischenwelt des Feldlagers in Kunduz als Satellit deutscher Zucht, Ordnung und Gemütlichkeit ist dennoch für die Soldaten der schwer befestigte Fixpunkt ihres Einsatzes. Von dort schwärmen sie in Rudeln von Radpanzern aus, auf der ewigen Suche, so scheint es immer wieder, nach sich selbst.

Vor diesem Hintergrund spielt sich eine erfrischend unromantische Geschichte ab, die intelligent vom Nutzen und vom Missbrauch des Idealismus erzählt, von Freundschaft und Verzweiflung, von Hilfsbedürftigkeit und Hoffnungslosigkeit. Die Geschichte entzündet sich an einem jungen afghanischen Übersetzer, der sich von seiner Tätigkeit für sich und seine Schwester ein besseres Leben im Westen erhofft. Er agiert dabei als Brückenbauer und Besatzer: Elegant baut er Brücken zwischen den Welten. Doch in einem Land im Bürgerkrieg – und sei er von noch so niedriger Intensität –, in dem Loyalitäten nicht frei verfügbar sind, symbolisiert er ebenso die ungeliebten Besatzer. Für die Kommandoebene scheint er nur ein nützlicher Tor, für die Soldaten im Einsatz ist er Überlebenshelfer und Schutzbefohlener.

Eingebettet in eine durchweg starke Besetzung, verkörpern dieses Dilemma mit großartigen Darstellungen Mohsin Ahmady als Übersetzer Tarik und der wundervolle Ronald Zehrfeld als Hauptmann Jesper, die die Regie elegant vor Übertreibung und Klischee bewahrte und damit dem Film erst die Authentizität verleihen, die ihn so wohltuend von den bisherigen Afghanistanfilmen abhebt.

Feo Aladag hat Buch und Regie übernommen und mit leiser Stimme und wachem Blick einen durchdringenden Film geschaffen, in dem nicht Tempo und Effekte die Hauptrolle spielen, sondern die Paradoxien eines Einsatzes, in dem die hochfahrenden politischen Ziele auf der Makroebene nicht auf die lokalen Realitäten durchzuschlagen vermögen. ZWISCHEN WELTEN zeigt auch, wie schwierig das (selbst schon zwischenweltliche) Doppelmandat aus Kampfeinsatz und Aufbauhilfe für eine Truppe zu erfüllen ist, die eigene Verluste minimieren muss, um politisch überhaupt überlebensfähig zu sein. Somit ist dies auch ein Film über den Fluch von force protection: Nicht ein einziger deutscher Schuss fällt im Kampfeinsatz, die Soldaten können niemandem helfen – zuletzt nicht einmal sich selbst. Denn die Hoffnung stirbt zwar zuletzt. Doch auch sie muss schließlich sterben.

Dies ist der erste große deutsche Afghanistanfilm, vor Ort gedreht mit lokaler Beteiligung und bemüht um eine lokale Perspektive. Daraus schöpft ZWISCHEN WELTEN seine größte Kraft: Der enge Fokus auf das Trauma deutscher Heimkehrer in eine verständnislose Gesellschaft wird hier ergänzt um die Aussichtslosigkeit des Einsatzes selbst, das bei Entsandten und Besetzten gleichermaßen zu Wunden, Narben, Ohnmacht führen muss. So ist denn trotz des bezaubernden Naturspektakels die Stimmung des Films durchweg düster: Nach dem Abzug der letzten verbliebenen Truppenkontingente, hinterlässt die widerwillige Gestaltungsmacht nicht eine schlagkräftige Armee afghanischer Kämpfer, sondern ein Heer wehrloser Helfer und Helfershelfer, die ihre Hoffnungen auf die scheinbare Supermacht, mithin auf die Falschen gesetzt haben. Das großspurige Modernisierungsversprechen, das täglich aus der Flimmerkiste und den Megafonen der internationalen Politik quillt, es bleibt uneingelöst.

In den endlosen Weiten dieses fremden Landes, das malerisch erscheint und unerreichbar schön, verliert sich der (militärische) Fußabdruck der Deutschen. Das ländliche Afghanistan wird hier als eine mittelalterliche Stammesgesellschaft imaginiert, ausgestattet mit Kühen und Kalschnikows, doch unberührt von westlicher Zivilisation. Die glitzernden Dingos der Bundeswehr erscheinen hier wie irrlichternde Raumschiffe aus einer anderen Galaxie, irreale Fremdkörper in einer sandigen Mondlandschaft, Lichtjahre von ihrer Heimat entfernt.

Die selbsternannten Aufbauhelfer hinterlassen nichts als die ewige Wüste, kaum benetzt von einem dünnen Firniss neuzeitlicher Institutionen. Die Spuren deutschen Engagements verwehen allzu schnell. In ZWISCHEN WELTEN vermag kein Engagement, kein Herzblut, kein Opfer dies zu ändern.

Christian E. Rieck ist Senior Analyst am Global Governance Institute in Brüssel

 

Kinostart: 27. März 2014

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