Keine Waffenlieferungen an die syrische Opposition!

Oliver Daum │ 27. März 2013



Die Europäische Union diskutiert über ein stärkeres Engagement in Syrien. Frankreich und Großbritannien sprechen sich offen für eine Aufweichung des Waffenembargos aus. Somit rückt die Möglichkeit der Lieferung von Kriegsmaterial an die syrische Opposition erneut in den Fokus. Die Bundesregierung tut sich mit diesem Vorschlag schwer und sollte ihn auch weiterhin ablehnen.

daumEine erste Tendenz zur Beantwortung der Frage, ob Waffenlieferungen an die syrische Opposition erfolgen sollten, findet sich hier: im Völkerrecht. Demnach dürfen wir, also Deutschland, und alle anderen Staaten der syrischen Opposition keine Waffen reichen. Zugunsten des Assad-Regimes bestünde eine günstigere Ausgangslage: Als legitimierte Regierung dürfte das Regime beliefert werden, wenn das im Mai auslaufende EU-Waffenembargo dies nicht verbietet.

Dem Völkerrecht lässt sich daher zwar keine unumstrittene, aber grundsätzliche Wertung ableiten: Keine Waffen an die syrische Opposition! Was spricht demgegenüber für eine Waffenlieferung? Vermutlich versprechen sich Frankreich und Großbritannien, dass der Bürgerkrieg durch zusätzliche Waffen ein schnelleres Ende findet als ohne. Das hätte weniger Blutvergießen zur Folge und der missliebige Machthaber Assad müsste früher seinen Stuhl räumen. Für die westlichen Demokratien bestünde danach die Möglichkeit, Einfluss auf die Gestaltung des neuen Syriens zu nehmen, um letztlich den regionalen Geltungsbereich Irans einzudämmen.

Ungewisse Erfolgsaussichten
Es mag verblüffen, doch auch wer solche Gedankengänge hegt, befindet sich nicht unbedingt im Abseits. Denn die Lieferung von Waffen an die syrische Opposition ließe sich unter Umständen - und nur unter erheblichem Begründungsaufwand - mittels des Selbstbestimmungsrechts der Völker mit dem internationalen Recht in Einklang bringen. Also, warum keine Waffen schicken?

Zunächst einmal erscheint es alles andere als gesichert, dass der Bürgerkrieg durch zusätzliche Waffenlieferungen ein schnelleres Ende finden werde. Es gibt in der Vergangenheit keine erfolgreichen Beispiele, die einschlägige positive Erfolgsaussichten belegen können. Befinden sich dennoch Waffen einmal auf dem Weg, so ist deren Zufluss an die syrische Opposition bis zum Ende auch aufrecht zu erhalten. Alles andere wäre inkonsequent. Es bestünde somit die Gefahr, dass Syrien ein „Waffenfass“ ohne Boden wird.

Denn bisher trägt auch Russland seinen Teil zum Waffenfass bei, indem es bekanntlich das Assad-Regime mit Waffen und kriegserhaltenden Materialien unterhält. Wenn jetzt noch Waffen aus den Lagern von EU- und NATO-Staaten hinzukämen, welches Bild ergäbe sich dann? Auch wenn es weniger um einen Kampf der Systeme ginge, so erinnert die Konstellation doch stark an einen Ost-West-Stellvertreterkrieg der alten Tage. Das wäre kontraproduktiv für die Entspannung zwischen Russland und NATO.

Qual der Wahl zulasten der Bundesregierung
Hingegen mag es kaum zu leugnen zu sein, dass Waffenlieferungen sogar zu einer kurz- bis mittelfristigen Eskalation des Konflikts führen. Denn neben der Opposition war auch das Assad-Regime bisher in der Lage die gegenwärtige militärische Pattsituation des Konflikts zu erhalten. Sollte also die militärische Schlagkraft der Opposition zunehmen, so wird das Assad-Regime naturgemäß ebenfalls mehr Waffen von seinen Verbündeten fordern. Somit würde der Abnutzungskrieg in Syrien weiter befeuert werden.

Die Auswirkungen zusätzlicher Waffenlieferungen auf den Bürgerkrieg unter der Regie europäischer Staaten wären also ungewiss. Doch für die Bundesregierung verbietet sich dennoch eine ausdruckslose Enthaltung. Zusammenfassend stellen sich ihr also vier unpopuläre Handlungsoptionen: Einerseits könnte die Bundesregierung Waffenlieferungen an die syrische Opposition erwägen, alternativ könnte sie sich für Waffen an das Assad-Regime aussprechen. Andererseits könnte das Waffenembargo aufrechterhalten werden und/oder verstärkt auf Verhandlungen gesetzt werden.

Sollte sich die Bundesregierung dazu entschließen deutsche Waffen nach Syrien senden zu wollen, so müssen auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben – insbesondere die Sicherstellung des Endverbleibs - eingehalten werden. Handelt es sich hingegen nicht um deutsche Waffen, so findet das Grundgesetz keine unmittelbare Anwendung. Dennoch sollte sich die Bundesregierung die verhaltenslenkende Funktion des Grundgesetztes zu Eigen machen und sich gegen jegliche Lieferungen von Waffen aussprechen. Im Bürgerkriegsland Syrien ist es leicht vorstellbar, dass die gelieferten Waffen anschließend in die falschen Hände geraten. Solch ein Fall muss aber vermieden werden.

Kein militärisches Eingreifen!
Aus dieser Perspektive heraus stellt sich auch die Waffenfabrik in Saudi-Arabien in einem anderen Licht dar, in der unter deutscher Lizenz G-36 Gewehre hergestellt werden. Die Produktion deutscher Kriegswaffen im Ausland befindet sich in einem rechtlichen Graubereich. Es sollte sich deshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit ergeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass mit diesen Waffen der Widerstand der syrischen Opposition angetrieben wird, am europäischen Waffenembargo vorbei.

Wenn Waffenlieferungen nach Syrien gemäß dem Völkerrecht und dem Grundgesetz verboten, respektive nicht empfehlenswert sind, dann gilt dies erst recht für eine eigenmächtige militärische Intervention in Syrien, auch wenn diese im guten Namen der „responsibility to protect“ erfolgen sollte.

Es bleibt damit die Option der Verhandlungen und der Versuch den Bürgerkrieg durch ein striktes Waffenembargo auszutrocknen. Die von VN-Sondervermittler Lakhdar Brahimi eingeleiteten Verhandlungen brachten bis dato jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Die syrischen Konfliktparteien lehnen die Legitimierung des jeweils anderen weiter beharrlich ab. Solche Signale machen eine friedliche Lösung von Innen heraus nicht möglich.

Es bleibt damit die Option der gewaltlosen Befriedigung des Konflikts von Außen. Die Bundesregierung hat sich innerhalb des europäischen Konzerts für eine Verlängerung des Waffenembargos stark zu machen. Zudem muss sie auch die anderen Staaten überzeugen, ihre Waffenlieferungen einzustellen (Outreach-Maßnahmen). Diese und andere Maßnahmen setzen aber einen langen Atem voraus, der der syrischen Zivilbevölkerung nicht zuzumuten ist. Deshalb ist ein schleuniges Einlenken auf höchster Ebene – also im VN-Sicherheitsrat – alternativlos. Er muss seiner exklusiven Verantwortung endlich gerecht werden und alle erforderlichen Schritte zur Lösung des syrischen Problems einleiten.

Oliver Daum ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl Prof. Dr. Alexander Proelß für Öffentliches Recht, insbesondere Völker- und Europarecht an der Universität Trier

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