Wie weit reicht der parteipolitische Konsens zur Außenpolitik?

Joerg Wolf │ 19. März 2013



Sieben Bundestagsabgeordnete aus allen Parteien haben einen gemeinsamen Artikel zur europäischen Außenpolitik verfasst und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. Reinhard Brandl (CSU), Agnieszka Brugger, Viola von Cramon (beide Die Grünen), Bijan Djir-Sarai (FDP), Roderich Kiesewetter (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Stefan Liebich (Die Linke) formulierten einen parteiübergreifenden Grundkonsens, der „für eine Orientierung deutscher Außenpolitik über die gegenwärtige Legislaturperiode hinaus essentiell“ sein soll.

Ich finde es großartig, dass jüngere Abgeordnete von der Linkspartei bis zur CSU einen Konsens finden konnten und diesen auch veröffentlichen. Sicherlich wurden sie dafür z.T. aus den eigenen Reihen auch kritisiert. Besonders gefällt mir die Verknüpfung von Energiepolitik und Menschenrechten:

Deutschland hat ein Interesse daran, dass die Europäische Union energiepolitisch zu einem Raum der Ressourcenschonung und der Solidarität wird. Eine nachhaltige und damit letztlich auch friedensstiftende Energiepolitik setzt vor allem auf eine möglichst geringe Nutzung fossiler Ressourcen. Das bedeutet bei uns starke Energieeinsparung, den Ausbau regenerativer Energien und Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie. All dies ist nur in der Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen der EU zu erreichen. Diversifizierung und die Vermeidung von Abhängigkeiten sind aber auch beim mittelfristigen Einsatz von fossilen Energieträgern zu beachten. Wir beobachten mit Sorge, dass die Gewinne aus Öl- und Gasexporten zur politischen Stagnation in Staaten mit autoritären und repressiven Regimen beitragen und oft zu Lasten der Menschenrechte gehen. Dies widerspricht den Interessen einer verantwortungsvollen deutschen Außenpolitik.

Diese und die anderen Eckpunkte des Artikels sind jedoch auch sehr allgemein gehalten, sind nicht neu und wurden kaum in Frage gestellt. Die sieben Bundestagsabgeordneten machen leider keine konkreten Vorschläge für aktuelle außenpolitische Herausforderungen wie Syrien, Mali oder Iran. Stattdessen schreiben sie lieber abstrakt über Friedensmacht und Krisenmanagement:

Europa kann und muss jedoch Friedensmacht sein; die Friedensmachtkompetenzen Europas gilt es auszubauen und zu stärken. Das beinhaltet eine Stärkung der Fähigkeiten und Instrumente zu Krisenprävention, Krisenmanagement und Krisennachsorge, die Entwicklung gemeinsamer Analysefähigkeiten auf nationaler wie auf europäischer Ebene, den Einsatz für weltweite Abrüstung und Rüstungskontrolle wie aktive Bei-träge zur Stärkung und Unterstützung der Vereinten Nationen sowie der OSZE.

Stefan Liebich (Die Linke) freut sich über diese These ganz besonders und erklärt, dass die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) den Text “initiierte”. Aha, das erklärt die Forderung von Analysefähigkeiten und macht den Mangel an Politikempfehlungen für aktuelle sicherheitspolitische Herausforderungen besonders ärgerlich.

Ich finde es auch bedauerlich, dass die Abgeordneten und die SWP nichts über die deutsche NATO-Politik und Zusammenarbeit zwischen EU und NATO schreiben, obwohl sie doch Krisenmanagement ansprechen und auch Platz finden, ihre Unterstützung für die Vereinten Nationen und sogar für die OSZE auszudrücken. Es ist schade, dass es im Bundestag anscheinend nicht einmal einen Minimalkonsens zur NATO gibt, dem Fundament unserer Sicherheit.

Josef Janning, Mercator Fellow bei der DGAP, ist auch enttäuscht und schreibt im IP Journal: „Unfortunately, the real questions about Berlin’s role in Europe and the world are still not being addressed. (…) The authors do not break with tradition or well-worn jargon, nor do they have exiting news. Boiled down to the essence, the article calls upon Germans and Europeans to walk their talk, that is, to actually practice a European foreign policy together. Nothing new there.”

Die sieben MdBs geben der nächsten Bundesregierung also inhaltlich nicht viel auf den Weg, aber es ist gut, dass sie über Gemeinsamkeiten miteinander sprachen und einen Konsens fanden. Und ihre zweite Forderung unterstützen wir natürlich auch und begrüßen jeden Beitrag:

Diese Eckpunkte sollten Beachtung finden, gleich welche Parteien auch immer die nächste Bundesregierung stellen werden. Dazu gilt es, die deutsche Außenpolitik in der Öffentlichkeit wesentlich aktiver zu diskutieren und Interesse dafür zu wecken.

Jörg Wolf ist Redakteur von deutschlands-agenda und atlantic-community.org, dem Open Think Tank der Atlantischen Initiative. Folge ihm auf Twitter. Er freut sich über Kommentare hier und auf den Facebook und Twitter Kanälen von Deutschlands Agenda.

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