Etatkürzungen sparen globale Verantwortung ein!

Oliver Krumme │ 14. August 2012



Haushaltskonsolidierungen und die laufende Bundeswehrreform sorgen nicht nur für eine enorme Umstrukturierung der Streitkräfte, sie beeinflussen die Auslandseinsätze erheblich. Der dabei eingeleitete und diskutierte Paradigmenwechsel weg von aktiven Einsätzen hin zu indirekten Sicherheitsmaßnahmen täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass die Bundeswehr ihre globale Verantwortung empfindlich einbüßt.

Standortschließungen und Truppenreduzierung gefährden Einsatzfähigkeit

Die Bundeswehr arbeitet seit mehreren Jahren aktiv am internationalen Frieden und ihre Präsenz in Einsatzgebieten wie in Afghanistan und am Horn von Afrika wird international begrüßt und sogar gewünscht. Daher wird zu Recht die Frage gestellt, wie eine personell reduzierte und finanziell eingeschränkte Bundeswehr ihren Aufträgen weiter nachkommen kann.

Der Bundesvorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, bekräftigte bereits 2010, dass jede Art von Kürzungen die internationale Einsatzfähigkeit empfindlich kompromittieren würde. Die Bundesregierung läuft Gefahr, ihren eigenen Soldaten in Afghanistan die finanzielle und materielle Unterstützung zu entziehen. Im Hauptaugenmerk liegen die beschlossene Reduzierung der Streitkräfte auf ca. 170.000 Soldaten und die Schließung von 31 Standorten, wodurch die Bundeswehr nicht nur die größte Reform seit ihrem Bestehen einleitet, sondern auch weitreichende Konsequenzen für ihre Aufträge mit sich führt. Mit einer logistisch und personell stark reduzierten Truppe wird es langfristig fast unmöglich sein, die sich im Auslandseinsatz befindenden Kontingente effektiv und ausreichend zu versorgen, oder gar zukünftige Auslandseinsätze zu führen.

Paradigmenwechsel – Waffenverkäufe statt Auslandseinsätze?

Der aktuelle Paradigmenwechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sieht verstärkte Waffenverkäufe und -lieferungen vor. Nachdem Israel und Saudi-Arabien bereits deutsches Wehrgerät erhielten (U-Boote der Klasse 214 für Israel und Leopard-2 Kampfpanzer für Saudi-Arabien), hat inzwischen auch das Emirat Katar nach Leopard-2 Panzer angefragt. Die Bundesregierung erhofft sich durch einen verstärkten Verkauf von Waffensystemen eine kosteneffizientere Strategie, der eine genauso effiziente Sicherheitspolitik betreiben soll, wie aktive militärische Einsätze.

Eine gefährliche Fehleinschätzung, denn ein alleiniger Waffenverkauf hat bei weitem nicht dieselbe Tragweite wie ein direkter Bundeswehreinsatz vor Ort. Außerdem muss man sich vor Augen führen, welche Länder auf der Kundenliste stehen, und das sind nicht unbedingt diejenigen, die sich durch ihre Rechtsstaatlichkeitsprinzipien auszeichnen. Nach dieser Logik müssten also Waffen an Afghanistan oder an die somalische Exilregierung verkauft werden. Der Grund, warum das nicht getan wird, ist simpel: sie sind bei weitem nicht so zahlungskräftig wie z.B. Saudi-Arabien. Als Paradigmenwechsel sind solche Waffenhandelspläne und Einsparungen ein Denkfehler und stehen im Widerspruch zu einem verlässlichen Sicherheitspartner Deutschland.

Der falsche Ansatz

Beim Vorhaben, die Bundeswehr durch eine kleinere und professionellere Einsatztruppe effizienter und flexibler auf Out-of-Area-Einsätze vorzubereiten, übersehen das Verteidigungsministerium und die Bundesregierung, dass diese Sparmaßnahmen nicht nur die Bundeswehr intern vor massive Umstrukturierungen stellen wird, sondern vor allem den Zweck und die Wirkung ihrer Auslandseinsätze bedrohen. Es ist zweifelhaft, ob der geplante Ausbau der Waffenverkäufe einen echten Paradigmenwechsel einleitet. Wahrscheinlicher ist es, dass es lediglich zu einer Prioritätenverschiebung in der Sicherheitspolitik kommt.

Wenn aufgrund von Etatkürzungen an Bundeswehrauslandseinsätzen gespart werden soll, so kann dies nur in einem Umfang geschehen, dass die Verantwortung der Bundeswehr und ihr Beitrag zur globalen Sicherheit nicht zu stark beeinträchtigt werden. Gerade dies ist aber der Fall. Die Reduzierung von Auslandseinsätzen ist eng mit den Sparmaßnahmen verbunden und gefährdet die internationale Schlagkraft Deutschlands.

Deutschland verliert als Sicherheitsakteur an globaler Bedeutung

Der im Januar 2012 vom Bundestag beschlossene Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan bis 2014 wird ein großes Kapitel der Bundeswehr beenden, nämlich einen der bislang größten Einsätze deutscher Soldaten im Rahmen des auslaufenden ISAF-Mandats. Lediglich ein paar hundert Soldaten werden im Rahmen einer Nachfolgemission am Hindukusch bleiben. Zehn Jahre nach dessen Beginn ist Deutschland dabei, seinen hart erarbeiteten Respekt als globaler Sicherheitsakteur abzustreifen, um stattdessen durch eine Strategie der indirekten Sicherheitspolitik sich an direkten Beteiligungen herauszuhalten.

Das Argument der Kostenreduzierung greift hier nicht, denn es geht um internationale Verpflichtungen. Die Bundesregierung muss sich die Frage stellen, ob sie bereit ist, Verantwortung für globale Sicherheit aktiv mitzutragen, oder sich stattdessen auf Waffenexporte alleine verlassen will. Wie die Bundestagsabgeordneten Schockenhoff und Kiesewetter in ihrem in Mai 2012 verfassten Papier zu Europas sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit korrekt formuliert haben, leidet die deutsche Sicherheitspolitik spätestens seit ihrer Enthaltung zum Libyen-Einsatz 2011 an einem ernsthaften Glaubwürdigkeitsproblem.

Aufgrund dessen sind sich einige NATO- und GSVP-Partner nicht mehr sicher, ob sie sich im Falle von „Hard-Policy-Entscheidungen“ überhaupt noch auf Deutschland verlassen können. Auch darf zu Recht angezweifelt werden, ob Deutschland generell an einer starken sicherheitspolitischen Rolle interessiert ist. Der schwindende Rückhalt in der Bevölkerung und die Prämisse, dass sich Deutschland lieber als „Soft-Policy-Entwicklungshelfer“ profilieren solle, täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass sich Deutschland durch zögerliche Entscheidungsfindungen und internationale Selbstausgrenzungen in sicherheitspolitischen Fragen selbst unzuverlässig macht.

Politikempfehlungen

In Anbetracht der kommenden Bundestagswahlen sollte sich die Bundesregierung offen zu ihrer internationalen Verantwortung bekennen, besonders zu den Auslandseinsätzen. Auch wenn es unbestritten ist, dass Sparmaßnahmen mit Blick auf die angespannte Haushaltslage unumgänglich sind, ist ein Paradigmenwechsel, der gänzlich auf umfangreiche Auslandseinsätze verzichten soll, von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Ein Deutschland, das sich selbst seiner internationalen Verantwortung entzieht, schädigt nicht nur sich selbst, sondern vor allem der NATO- und GSVP-Allianz. Damit schädigt Deutschland auch die internationale Gemeinschaft, zu der es sich seit Jahrzehnten angehörig fühlt.

Im Bedarfsfall muss eine effektive militärische Einsatzfähigkeit gewährleistet sein, dies gebietet das Prinzip der kollektiven Sicherheit. In einer globalisierten Welt kann ein einzelner Staat keine allgemein gültige Sicherheitspolitik implementieren, ebenso wenig darf sich ein einzelnes Mitglied der internationalen Gemeinschaft aus den allgemein verbindlichen Sicherheitsstrukturen und ihrer Teilhabe ausgrenzen.

Deutschland muss sich als Sicherheitsakteur stärker, intensiver und konsequenter mit strategischer und kooperativer Sicherheitspolitik befassen, wenn es an seinem Beitrag zur kollektiven Sicherheit interessiert ist und globale Glaubwürdigkeit wiedergewinnen will. Davon ist nicht nur Deutschlands Rolle in der NATO, sondern auch in der GSVP abhängig. Vor allem aber muss Deutschland den Mut haben, sich als militärische Lead-Nation bei Auslandseinsätzen zu profilieren.

Kurz: Deutschland muss aus seiner selbst gewählten Reserve heraustreten. Die Bundesregierung ist gut beraten, die Sparmaßnahmen an die internationalen Sicherheitsbedürfnisse der internationalen Staatengemeinschaft anzupassen, um die eigene globale Verantwortung nicht zu gefährden.

 

Oliver Krumme ist unabhängiger Politikanalyst und Blogger. Er hat seinen Master in „Advanced International Studies“ an der Diplomatischen Akademie Wien absolviert, davor studierte er Politikwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), der deutschen und der US-Außenpolitik, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, sowie der Europäischen Integrationsforschung.

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