Deutsche Chinapolitik muss Weichen für Dekaden stellen!

Armin Reinartz │ 23. April 2012



Chinas Entwicklung bietet Deutschland große Chancen auch im 21. Jahrhundert seinen Wohlstand zu erhalten und international mitzuspielen. Größter Unsicherheitsfaktor ist Chinas Stabilität. Deutschland muss Chinas Entwicklung stärker unterstützen und in den Beziehungen breitere,  langfristiger Ansätze nutzen, um die Weichenstellung im Interesse beider Länder, aber auch der globalen Entwicklung insgesamt, positiv zu beeinflussen.

Keines der BRIC Länder ist in den letzten Jahren so wichtig für Deutschland, hat in den letzten Jahren so viel Sorgen verursacht und Chancen ermöglicht wie China. Eine offensichtliche Chance deutscher Chinapolitik liegt in Chinas Status und Potential als Wirtschaftspartner, besonders als Absatzmarkt für deutsche Produkte im Maschinen –und Automobilbau.

Eine zweite Chance liegt in chinesischer Unterstützung bei Bewältigung der Euro-Krise. Eine stabile europäische Wirtschaft, sowie ein stabiles internationales Finanzsystem sind im chinesischen Interesse und sinnvolle Politikansätze in diese Richtung haben auch die Chance auf substantielle Unterstützung aus Peking.

Eine dritte, bislang wenig diskutierte, Chance für deutsche Außenpolitik insgesamt, liegt in der Nutzbarmachung des guten deutsch-chinesischen Verhältnisses für die großen Fragen der internationalen Politik. Von Klimapolitik bis zur kritischen Fragen im Weltsicherheitsrat gilt Deutschland den Kadern in Zhongnanhai als vertrauenswürdiger, ehrlicher und selbstloser im Vergleich zu den USA oder anderen Ländern mit signifikanter asiatischer Kolonialgeschichte und dieses Vertrauen könnte in der internationalen Kommunikation in Zukunft verstärkt genutzt werden.

Wie stabil ist China?

China wirkt bei genauere Betrachtung zwar viel freundlicher, als in häufig in der Tagespresse geschildert, jedoch wird auch die destabilisierenden Faktoren in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik umso deutlicher.

Das intransparente Wirtschafts- und Finanzsystem leidet unter massiver staatlicher Steuerung und die Prognosen über den Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft oder deren zukünftigen Wunder leiden daran, dass es an verlässlichen Daten für tragfähige Aussagen mangelt. Auf der Liste der Risiken für gesellschaftliche Instabilität finden sich ausweitende Arm-Reich-Schere, Perspektivlosigkeit selbst bei hohen Bildungsabschlüssen, fast komplett fehlende soziale Absicherung und regionale Disparitäten, die illegale Migration in reichere Provinzen  und deren Autonomietendenzen fördern, sowie ein Wertevakuum und ein gleichzeitiger Trend zu Religiosität, um nur die besonders herausragenden zu nennen.

Politisch springen die Abwesenheit eines funktionierenden Rechtsstaats mit fragwürdigen Verhaftungen und massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit ins Auge, sowie eine alleinherrschende Partei, in denen viele hohe Kader ihre Familien und Vermögen mit einem Backup im Ausland absichern und deren Korruption selbst in den eigenen Reihen als großes Problem gilt. Alles inklusive hollywoodreifen Machtkämpfen hinter den Kulissen und einem Militär mit großem Budget , von dem selbst niemand in China so genau weiß was es macht, kann oder will. Nebenbei kommen auch noch Außenpolitische Konfliktfelder mit diversen Nachbarn und den USA dazu.

So positiv die Entwicklung Chinas für Deutschland derzeit ist, umso negativer könnte sich eine Destabilisierung auswirken, sodass die deutsche Chinapolitik sowohl auf den Erhalt und Ausbau der guten Beziehungen, als auch auf die Unterstützung von Chinas Entwicklung und Stabilität abzielen sollte.

Mehr langfristige und breitere  Ansätze in der Chinapolitik

Hinter der häufig parteipolitisch kritisierten „Entwicklungshilfe“ für China verbergen sich größtenteils Programme zur Rechtsstaatsentwicklung und zum Umweltschutz. Programme wie der „Rechtsstaatsdialog“ mögen vielleicht nicht über Nacht einen chinesischen Rechtsstaat kreieren, aber sie stärken die Kräfte, die an einer solchen Entwicklung interessiert sind und die tatsächliche Entwicklung eines solchen. Das gleiche gilt für die Kooperation im Umweltschutz, die Projekte und Entwicklungen ermöglicht, die ohne deutsche Hilfe nicht realisiert würden. Vermutlich dürfte auf Grund der Größe Chinas und des Weichenstellungseffekts jeder investierte deutsche Euro dort sogar mehr zum globalen Umwelt- und Klimaschutz beitragen, als in Deutschland.

Ein neuerer Ansatz zur Förderung des Deutsch-Chinesischen Mittelstands bezieht sich nicht nur auf die Vorteile für deutsche kleine und mittlere Unternehmen bei der Erschließung neuer Absatz- und Lieferantenmärkte, sondern auch auf chinesische Mittelständler, die nicht wie die großen Staatskonzerne massive Unterstützung der Regierung erfahren. Eine explizite Förderung von Kontakten nach Deutschland kleiner und mittlerer chinesischer Unternehmen, etwa durch die bereits bestehenden Einrichtungen zur deutschen Mittelstandförderung wie die AHK, könnte ein Schlüssel zur Erschließung bislang ungenutzten, nicht politisch gesteuerten, Wirtschaftspotentials sein. Auch die Nutzung des Unternehmergeists vieler junger chinesischer Universitätsabsolventen durch bessere Rahmenbedingungen für Start-Ups in Deutschland, würde nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen stärken, sondern auch direkt die deutsche Wirtschaft. Ganz nebenbei würde man durch diese Maßnahmen auch die Kräfte in der chinesischen Gesellschaft  stärken, die nicht zu der kleinen dominierenden Politik- und Wirtschaftselite gehören.

Mehr  Beachtung verdient auch der transnationale Austausch. Deutschland genießt in China ein hohes Ansehen, dass von Chinesen in der Regel mit der Qualität deutscher Produkte, dem deutschen Umgang mit der eigenen Geschichte im Vergleich zu den Japanern und den positiven Stereotypen zum „deutschen Charakter“ begründet wird. Das Chinabild in der deutschen Gesellschaft hingegen ist äußerst lückenhaften und  jenseits der Exotik immer noch sehr häufig von Desinteresse geprägt. Neben den Wirtschaftskontakten gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, welche die transnationale Verbindung deutlich verbessern könnten. Der akademische Austausch wächst zwar stetig, dennoch könnten gerade chinesische Studenten in Deutschland durch bessere Betreuung und Angebote stärker integriert werden und Säule einer stärkeren Verbindung sein. Der Austausch mit China durch Schulen und andere gesellschaftlichen Organisationen, von Sportvereinen bis Umweltschutzgruppen, steckt noch in den Kinderschuhen und birgt enormes Potential zur Knüpfung wichtiger Bande zwischen beiden Gesellschaften. In diesem Sinne ist auch die Gleichbehandlung von Chinesisch als Schulfach mit Französisch und Spanisch und entsprechender Lehrerausbildung ist ein Schritt, der umso mehr positive Effekte hat, je früher er getan wird.

Jetzt die Weichen stellen!

Deutschland hat eine gute Ausgangslage, vor allem über seine Verbindung nach China, im asiatischen Jahrhundert mitzuspielen und auch die EU dabei mitzunehmen. Viele der skizzierten Ansätze benötigen keine großen Haushaltsumschichtungen, sondern ein Mindestmaß an Fachwissen, politischen Willen und vergleichsweise wenig parteipolitisches Konfliktpotential. Wir können jetzt mit geringem Mitteleinsatz Weichen stellen, die Deutschland vom Abstellgleis fernhält und gleichzeitig daran mitarbeiten, dass Chinas Aufstieg ein Gewinn für die gesamte globale Entwicklung wird.

Armin Reinartz wohnt derzeit in Peking und ist Student im „Master of Contemporary East-Asian Studies“ der Universität Duisburg-Essen und im „Master of Public Policy“ Programm der Peking University. Er ist Asienbeauftragter Im Internationalen Komitee der Jungen Liberalen und ehemaliger Leiter des JuLi-Bundesarbeitskreises „Internationales“.

1 Kommentare

  1. Günter Nooke Says:

    Auch fand beim Lesen wenig zum Widersprechen und viel Zustimmungsfähiges. Ich glaube auch, dass hier sehr ausgewogen argumentiert wird. Nur sollte man eins bedenken, die Politk der Bundesregierung ist weder mit der Meinung der Bevölkerung nocht mit der veröffentlichten in den Medien identisch: Wir, die Politker tin viel mehr, von dem was in dem Beitrag erwartet wird, als wohl viele denken! Wo ich ausdrücklich zustimme, übrigens auch generell bei der Afrikapolitik oder Menschenrechtspolitik: Wir sollten das, was wir als Bundesregierung tun, noch viel deutlicher kommunizieren und mehr als einen strategischen Ansatz verstehen; gerade die weltweite (!) Beliebtheit Deutschlands bietet viel mehr Chancen als wir alle gemeinsam bisher nutzen.






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