Schulden wir dem Teufel? Warum der Europäische Fiskalpakt falsch ist

Matthias Ecke │ 02. April 2012



Der europäische Fiskalpakt darf so nicht ratifiziert werden. Er ignoriert die tatsächlichen Krisenursachen und höhlt Demokratie und Gemeinschaftsrecht aus. Statt die fatale Kürzungspolitik mit dem Fiskalpakt fotzusetzen müssen die Krisenverursacher zur Verantwortug gezogen werden.

In Leipzig zeigt eine Bronzestatue Faust und Mephisto im Duett vor Auerbachs Keller. Hierhin kehrten die Partner nach Vertragsabschluss ein. Faust noch voller Zuversicht ob des bevorstehenden Umtrunks, aber sein schreckliches Ende war ihm schon gewiss. Merke: Wenn von Pakten die Rede ist, sollte man grundsätzlich argwöhnisch sein.

Den Europäischen Fiskalpakt als diabolisch zu bezeichnen wäre sicher etwas zu blumig formuliert, falsch aber wäre es nicht. Denn der Fiskalpakt, offiziell „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ ähnelt dem faustischen Teufelspakt doch beachtlich. Er erscheint er auf den ersten Blick als lohnender Vertrag, ist beim genaueren Hinsehen jedoch voller Tücken. Einmal geschlossen ist er praktisch irreversibel. Zeichnen wir diesen Pakt, wird es ein böses Ende nehmen.

Dies mag erstaunen, denn grundsätzlich ist eine haushalts- und fiskalpolitische Koordinierung speziell in der Eurozone zunächst einmal sinnvoll. Denn eine Währungsunion kann ohne gemeinsame Finanzpolitik nicht funktionieren, wir brauchen makroökonomische Koordinierung. Diese sorgt im Idealfall dafür, dass sich Konjunkturzyklen zwischen den beteiligten Staaten angleichen und weniger asymmetrische Schocks, als ungleichzeitige Konjunkturkrisen, auf die Eurozone zurollen. So kann die Geldpolitik dergestalt ausgerichtet werden, dass sie nutzt und möglichst wenig Schaden anrichtet, was bei asynchronen Konjunkturzyklen in einem Währungsraum schwierig ist; schließlich kann die Zentralbank nicht gleichzeitig niedrige Zinsen für Krisen- und hohe für Boomländer veranlassen.

Der Fiskalpakt fördert eine fatale Kürzungspolitik

Allerdings geht die Art und Weise der Koordinierung, die der Europäische Fiskalpakt etabliert, in die völlig falsche Richtung. Der Pakt begrenzt das jährliche Haushaltsdefizit auf 0,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also ein Sechstel dessen was unter Maastricht noch möglich war. Insgesamt muss der Schuldenstand auf 60% des BIP zurückgefahren werden. Diese Schuldenbremse muss in allen Staaten in der nationalen Verfassung (!) verankert werden. Die Mitgliedstaaten müssen die geplante Aufnahme neuer Schulden vorab melden und diese verbindlich verringern. Wer die Regeln verletzt wird automatisch sanktioniert, der Europäische Gerichtshof überwacht das.

Der Fiskalpakt verschärft mit seinem Spardiktat die europaweite Krise. Die absurde Austeritätpolitik, die mitten in der Krise zwangsläufig Wachstum und Beschäftigung abwürgt, ist der Sargnagel für viele ohnehin schwächelnde Ökonomien Südeuropas. Aber auch Deutschland wird die geforderten 60% Verschuldungsstand ohne massive Kürzungen und Einschnitte kaum erreichen können.

In einem hochverflochtenen Wirtschaftsraum wie der EU, in dem die Volkswirtschaften wechselseitig intensiv Handel treiben, muss allen klar sein, was eine solche Entscheidung für die Konjunktur bedeutet: wenn alle gleichzeitig sparen, ist eine Rezession unvermeidlich. Arbeitslosigkeit (gerade für junge Menschen!), soziale Spaltung und Verelendung werden zunehmen.

Daneben bekämpft der Fiskalpakt den falschen Gegner, denn er setzt nicht an den wahren Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise an, die die Staatsschuldenkrise erst als ausgelöst haben. Das sind nämlich nur in wenigen Fällen schlecht wirtschaftende Staaten, sondern vor alle die unregulierten Finanzmärkte, die Macht der Rating-Agenturen sowie die Leistungsbilanzungleichgewichte in der Eurozone und die überkonzentrierten Vermögen.

Re-Nationalisierung und Demokratieaushöhlung

Noch dazu setzt der Faustische Fiskalpakt bewährte Rechtsprinzipien der europäischen Integration außer Kraft. Als zwischenstaatlicher Vertrag und durch den Sonderstatus der Euro-Länder hebelt er das Gemeinschaftsrecht aus. Mit der Abkehr von den EU-Verträgen droht ein Zurück ins Mächtekonzert der europäischen Nationalstaaten, und Deutschland will den Ton angeben. Überwunden geglaubte Zeiten kehren wieder.

Der Pakt höhlt zudem die  demokratische Souveränität aus. Nicht nur, dass das Europäische Parlament außen vor ist, auch die Einschränkung politischer Optionen durch die götzengleiche Schuldenbremsenanbetung schränkt politische Optionen materiell ein. Es ist zweifelhaft, ob unter diesen Umständen etwa eine Rekapitalisierung der Banken, die 2008 notwendig wurde und eine noch größere Eskalation wohl verhindert hat, überhaupt möglich gewesen wäre. Von notwendigen Zukunftsinvestitionen in Bildung, Betreuung oder Infrastruktur ganz zu schweigen.

Nicht mal klug werden kann man aus dem Schaden, denn der Fiskalpakt stellt einen irreparablen Souveränitätstransfer dar. Er geht sogar über die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz hinaus, denn diese kann in Zukunft nicht mehr mal korrigiert werden. Das ist zwar derzeit unwahrscheinlich, aber immerhin möglich, wenn sich die Bremse wie absehbar als Quatsch erweist. Das unsägliche Kooperationsverbot in der Bildungspolitik spricht Bände: erst von allen in die Verfassung geschrieben, mittlerweile will es fast jede und jeder loswerden. Im Falle des Fiskalpakts wäre diese Option für die Schuldenbremse blockiert.

Handlungsempfehlungen

Der Europäische Fiskalpakt ist falsch. In der vorliegenden Form darf er nicht ratifiziert werden. Zumindest muss eine Beteiligung der Krisenverursacher über die Finanztransaktionsstelle kommen, und ein europaweites Wachstums- und (Jugend-)Beschäftigung. Noch besser wäre den Vertrag neu auszuhandeln, wie vom französischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande angedacht. Eine solche Neuverhandlung muss dann die tatsächlichen Krisenursachen und die reale Leistungsfähigkeit der Staaten berücksichtigen. Noch ist der diabolische Pakt nicht in Kraft. Als Goethes Faust in Auerbachs Keller kam, war es schon zu spät. Wir aber können noch umkehren.

Matthias Ecke ist stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender. Er lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig.

1 Kommentare

  1. Gerd-Armin Loh Says:

    Leider hat der Verfasser bewußt verschwiegen, dass ein Großteil der Schulden durch den ausufernden Staatshaushalt selbst verursacht wird.
    Wozu braucht Deutschland 662 Abgeordnete? Wozu braucht Deutschland die Länder und Stadtstaaten, wo einige gar nicht lebensfähig sind. Wozu braucht Deutschland die vielen Krankenkassen?? Hat der Verfasser mal bewußt analysiert wieviel Staatsbedienstete es gibt ??
    Wie faul ein Staat sein kann hat die griechische Tragödie bewiesen und das hat mit dem internationalen Finanzmarkt nichts zu tun. Über zahlreiche steuerrechtliche Regelungen wird bis zum heutigen Tage Reichtum ohne Leistung produziert. Ein Ergebnis ist die absolute Zunahme der Millionäre in den letzten Jahren in Deutschland.
    Ein Teil des Mephisto ist der Verfasser mit seiner Schuldanalyse.
    MfG
    Gerd-Armin Loh






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