Sicherheitspolitische Verantwortung

Gen. a.D. Hans-Heinrich Dieter │ 30. Januar 2012



Unter Minister de Maizière hat sich die Orientierung an sicherheitspolitischen Strategien gebessert. Seine strenge Orientierung an der „Übergabe in Verantwortung“ ist richtig. Leider steht der Minister damit ziemlich allein und in anderen europäischen Ländern werden ähnliche Fehler gemacht. Das ist beunruhigend.

General a.D. Hans-Heinrich Dieter

In Deutschland beklagen wir, dass Sicherheitspolitik nicht Strategien und Konzepten folgt, sondern hauptsächlich innen- und parteipolitischem Kalkül.

Die Lage hat sich mit Verteidigungsminister de Maizière gebessert, denn er wird nicht müde, Truppenreduzierungen und den möglichst vollständigen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan bis Ende 2014 mit der dann herrschenden Sicherheitslage zu verknüpfen und im Zusammenhang mit der deutschen Verantwortung im Norden Afghanistans betont der Minister, dass ein solcher Abzug „aus fachlichen Gründen, aber auch aus Bündnisgründen koordiniert werden“ muss. Mit seinen Äußerungen orientiert sich de Maizière streng an der proklamierten “Übergabe in Verantwortung”.

Der Minister ist allerdings ein ziemlich vereinzelter Rufer in der sicherheitspolitischen deutschen Wüste. Bei der Debatte in dieser Woche im Deutschen Bundestag überlagerten Kontingentzahlen und strikte Abzugsfahrpläne erneut Überlegungen zur Wahrnehmung der für die afghanische Bevölkerung übernommenen Verantwortung.

Nun hat Präsident Sarkozy am 20.01.2012, nach der Ermordung von vier französischen Soldaten durch einen von den Taliban angeworbenen afghanischen Soldaten der ANA, die französische Beteiligung an allen Militäroperationen ausgesetzt und er schließt einen vorzeitigen Abzug Frankreichs aus Afghanistan nicht aus. Sarkozy: „Die französische Armee ist nicht in Afghanistan, um sich von afghanischen Soldaten beschießen zu lassen“.

Die französische Armee ist in Afghanistan, um im Rahmen der internationalen Schutztruppe der übernommenen Verpflichtung und Verantwortung für die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung gerecht zu werden. Präsident Sarkozy weiß das eigentlich, denn er hatte noch Anfang Januar ein vorzeitiges Ende des Afghanistan-Einsatzes ausgeschlossen. Bei einer Neujahrsansprache an die Armee am 3. Januar sagte er noch, Frankreich werde so lange bleiben, wie es notwendig sei.

Aber was nützt die richtige Aussage des Präsidenten, wenn Frankreich im Wahlkampf ist und der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande mit seiner Forderung, alle französischen Soldaten schon bis Jahresende aus Afghanistan zurückzuholen, versucht, Wähler zu fangen und die rechtsextreme Front National für ein Ende des „sinnlosen Abenteuers“ Afghanistan wirbt? Unter dem Druck eines Wahlkampfes ist auch ein Präsident der Grande Nation offenbar bereit, sicherheitspolitische französische Verantwortung für Afghanistan und die Stabilität der Operationen der internationalen Staatengemeinschaft dem innen- und parteipolitischen Kalkül nachzuordnen.

Es beruhigt nicht, dass auch in anderen europäischen Nationen gravierende sicherheitspolitische Fehler gemacht werden – im Gegenteil!

Hans-Heinrich Dieter war von 2004 – 27.01.2006 Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis im Bundesministerium der Verteidigung. In seinem Ruhestand äußert er sich weiter zu sicherheitspolitischen Themen. Homepage

Foto: Wikimedia Commons

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