Verantwortung übernehmen

Dr. Henning Riecke │ 16. Januar 2012



Trotz Betonung der Partnerschaft steht Europa nunmehr an dritter Stelle für die USA. Bis auf die Differenzen über wirtschaftliche Ungleichgewicht gibt es aber eigentlich keine substanziellen Streitthemen.

Dr. Henning Riecke

In den eben erschienen Verteidigungspolitischen Prioritäten des Pentagon für das 21. Jahrhundert steht die Balancepolitik im Asia-pazifischen Raum weit oben. Europäische Partner werden zwar als erster Partner bei der weltweiten Aufrechterhaltung von Sicherheit – auch wirtschaftlich – gesehen. US-Engagement hier steht aber an dritter Stelle hinter Nahost. Die US-Präsenz in Europa soll „weiterentwickelt“ werden. Hat nun Amerika das Interesse an Europa verloren? Oder ist die Frustration über die Nabelschau auf dem alten Kontinent in Ablehnung umgeschlagen, weil wirden USA nicht bei der Eindämmung Chinas helfen?

Angesichts der Dauerkonflikte im transatlantischen Verhältnis liegt die Aussage nahe, beide Seiten ziehen zwar an einem Strang, aber an unterschiedlichen Enden.

Amerika ist sauer
Aus der Position Amerikas ergeben sich strukturelle Differenzen. Die USA wollen die Position als Supermacht halten, haben aber erkannt, dass in einer Welt mit vielen Machtzentren auch andere den Ton angeben. In der ambivalenten Partnerschaft mit China zielen die USA auf Friedenssicherung und Machterhalt. Europa denkt dagegen nicht an globale Positionierung. Abgesehen von ihren internen und wirtschaftlichen Problemen blicken die EU Staaten eher auf die Stabilität der Nachbarschaft.

Wirtschaftliche Ungleichgewichte machen den kooperativen Umgang mit Finanz- und Verschuldungskrise schwer. Amerika ist sauer, weil die Europäer nicht mehr aus den USA importieren, um das Außenhandelsdefizit der USA zu mildern. Europa will aber exportieren, dies ist eine wichtige Antriebskraft. Die Lösung der Eurokrise verfolgt auch Obama mit Interesse, weil sie indirekt auf die amerikanische Wirtschaft Einfluss hat – und damit auf seine Wiederwahl.

Keine substanziellen Streitthemen
In den meisten internationalen Fragen stehen sich Amerikaner und Europäer aber näher als andere Partner. Klima, Energie, Schutz der Seewege und des Internets – bei allen kommenden Großthemen haben beide Seiten inzwischen überlappende Vorstellungen oder akzeptieren die Eigenheiten des anderen. Auch Iran und Afghanistan sind keine substanziellen Streitthemen mehr. Einheitliche Zielsetzungen machen hier die Zusammenarbeit leicht.

Wie können die starken Demokratien in Nordamerika und Europa an einem Strang und in einer Richtung ziehen? Die Amerikaner müssen erkennen, dass die Europäischen Partner Ihnen den Rücken freihalten können. In den südlichen und östlichen Nachbarregionen der EU stehen auch amerikanische Interessen auf dem Spiel, die durch die Orientierung auf Asien nicht hinfällig werden.

Europa benötigt strategische Einigkeit
In Europas Nachbarschaft geht es um Energie, Islamismus, den Schutz Israels, die Eindämmung des Iran, und die Zukunft Russlands. Zur Fortsetzung des Arabischen Frühlings z.B. ist Europa gefragt, mit klugen Instrumenten, Marktöffnung und etwas mehr Geld bei der Stabilisierung zu helfen. Um hier Einfluss zu haben benötigt Europa strategische Einigkeit. Es sollte auch bei seinen militärischen Fähigkeiten nachlegen, aber vor allem Lasten und Führungsaufgaben übernehmen. Spielt Europa hier und gegenüber seinen östlichen Nachbarn eine starke Rolle, wird es auch für die USA ein verlässlicher Partner.

Dr. Henning Riecke ist Programmleiter, USA/Transatlantische Beziehungen, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)

Dieser Artikel ist eine überarbeitete und aktualisierte Version des bei der Körber Stiftung erschienen Kommentars gleichen Titels.

Bildquelle: NATO. Dieser Artikel gibt nicht notwendigerweise die Meinung der NATO wieder.

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