Atommacht Iran? Der Preis wäre hoch

Dr. Oliver Thraenert │ 09. Januar 2012



Wird es gelingen, Iran zur nuklearen Umkehr zu bewegen? Eines ist klar: Die Eindämmung hätte auch Auswirkungen auf Deutschlands Raketenabwehr-Engagement.

Dr. Oliver Thränert

Wird 2012 das Jahr der Entscheidung? Wird es mittels verschärfter Sanktionen doch noch gelingen, Iran zur nuklearen Umkehr zu bewegen? Oder wird Israel, mit oder ohne Unterstützung der USA, militärisch gegen das Atomprogramm vorgehen? Möglicherweise tritt beides nicht ein, und Teheran wird seinen Weg zur Bombe zu Ende gehen. Dann müssten Amerika und seine Verbündeten einen nuklearen Iran eindämmen.

Zwei Ziele stünden dabei im Vordergrund: Erstens das islamistische Regime daran zu hindern, aus seinem Atomwaffenbesitz politisches Kapital zu schlagen und sich zur regionalen Dominanzmacht aufzuschwingen.

Zweitens müsste die Sicherheit der arabischen Nachbarn Irans gewährleistet werden, damit sie künftig nicht selbst zur Bombe greifen. Auf Deutschland, das sich an einer Einhegung Irans beteiligen müsste, kämen schwierige Kurswechsel gerade in militärischen Fragen zu. In drei Bereichen – den konventionellen Rüstungsexporten, bei der Raketenabwehr und in Fragen der nuklearen Abrüstung – müsste Deutschland seine Position überdenken. Das heißt: weniger Zurückhaltung bei Rüstungsexporten in arabische Länder; mehr Engagement im Rahmen der Nato bei der Raketenabwehr; weniger Druck hinsichtlich des Abzuges von US-Kernwaffen aus Europa.

Die womöglich bald anstehende Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien ist hierzulande umstritten. In der Tat sind solche Exporte nicht ohne Risiko, da die gelieferten Waffen zur Unterdrückung innenpolitischer Opposition genutzt werden können. Gerade im Zeichen des arabischen Frühlings ist hier Vorsicht geboten. Zudem können Rüstungsexporte in die konfliktreiche Region des Mittleren Ostens bereits bestehende Konfrontationen weiter anheizen. Andererseits sollten Kritiker bedenken, dass gerade Saudi-Arabien ohne westliche Rückendeckung in Form von Rüstungsexporten im Angesicht eines nuklearen Iran womöglich selbst zur Atommacht würde. Der daraus resultierende atomare Rüstungswettlauf könnte gefährlicher werden als die Panzerlieferungen.

Ein wichtiges Element der militärischen Rückversicherung ist Raketenabwehr. Die Arabischen Emirate haben bereits entsprechende Systeme im Wert von fast zwei Milliarden US-Dollar in Washington bestellt. Doch will der Westen gegenüber einem nuklearen Iran hart auftreten, muss er sich auch selbst schützen können. Darum haben die Nato-Partner bei ihrem Gipfel von Lissabon im November 2010 die Verteidigung ihrer Territorien und Bevölkerungen gegen Raketen zu einer Kernaufgabe erklärt. Deutschland beteiligt sich bereits an diesen Projekten. Würde aber die Eindämmung eines nuklearen Iran Wirklichkeit, müsste Berlin sein Raketenabwehr-Engagement deutlich forcieren. Gemeinsam mit dazu befähigten europäischen Nato-Partnern müsste die Anschaffung modernen amerikanischen Abwehrgeräts ins Auge gefasst werden. Ohne Zweifel käme dies einer enormen Herausforderung für den Bundeswehrhaushalt gleich. Doch wollte man iranischen nuklearen Einschüchterungsversuchen nicht wehrlos gegenüberstehen, so führte daran kein Weg vorbei.

Schließlich müsste die deutsche Politik ihr Streben nach baldigem Abzug der verbliebenen US-Kernwaffen aus Europa überdenken. Auch wenn die derzeit in fünf Nato-Ländern stationierten amerikanischen Atomwaffen zur Abschreckung eines nuklearen Iran rein militärisch nicht benötigt würden, so muss eine Eindämmungsstrategie auf politische Symbolik achten. Atomare Abrüstung der Allianz dürfte daher nicht die richtige Antwort auf iranische nukleare Aufrüstung sein.

Kein Zweifel also: Die Eindämmung eines nuklearen Iran würde gerade für Deutschland zu einem äußerst schwierigen politischen Geschäft. Daher sollte die Sanktionsschraube erneut schleunigst angezogen werden, um so vielleicht einen nuklearen Iran doch noch zu verhindern.

Veröffentlicht im Tagesspiegel am 03. Januar 2012

Dr. Oliver Thränert ist Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Bild: Gerd Altmann  / pixelio.de

1 Kommentare

  1. Niklas Anzinger Says:

    Thränert vertritt einen realistischeren Standpunkt als viele seiner SWP-Kollegen. Genau aus diesem Grund allerdings, dass er schon die Minimalposition, ein nuklear bewaffneter Iran ist Gefahr und muss verhindert werden, gegen seine Kollegen, die gerne mal eine „strategische Partnerschaft“ mit dem Iran vorschlagen, kommt er nicht an die wichtigen Punkte heran, die derzeit wichtig sind.

    Diese sind Sanktionierung der iranischen Zentralbank, Rohölexporte (entsprechende Bündnispolitik mit den anderen arabischen Staaten, um einen potenziellen Ölpreisschock einzudämmen) und militärische Positionierung, die langsam anstehen dürfte (die man ruhig viel konkreter nennen könnte). Die Deutschen sollten den Engländern nachziehen und eine Schließung der Straße von Hormuz öffentlich einen „Kriegsgrund“ nenen, was er ohnehin ist, aber gerade aufgrund der zentralen Bedeutung Deutschlands für den Iran das Regime weiter unter Druck setzen und an den Rand drängen könnte.






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