„Ich bin deutsche Soldatin, mehr Integration geht nicht“

Redaktion │ 27. Januar 2016



Nariman ReinkeGastbeitrag von Nariman Reinke, Feldwebel bei der Bundeswehr und Stellvertretende Vorsitzende von Deutscher.Soldat. e.V., zur deutschen Flüchtlingspolitik nach den Übergriffen in der Sylvesternacht.

Ich bin deutsch und Muslima. Meine Eltern kommen aus Marokko. Wenn ich höre, dass manche der Verbrecher von Köln aus Marokko kommen sollen, wird mir schlecht. Dafür gibt es weder eine marokko- noch islamspezifische Entschuldigung oder Erklärung. Vergewaltigung ist auch in Marokko strafbar und die Entehrung einer Frau ist für Muslime eine sehr schwerwiegende und schlimme Tat.

Mir wird aber auch schlecht, wenn ich nun ständig für Marokkaner oder - mal wieder - Muslime allgemein sprechen soll. Ich bin in Hannover geboren und nicht in Marrakesch oder Casablanca. Hier nochmal für alle: Nein, ich kann es trotz meines Migrationshintergrundes und meiner Religion nicht nachvollziehen, wenn Frauen vergewaltigt werden – egal von wem. Die Annahme, dass ich es könnte, ist ein Abgrund menschlicher Dummheit.

Die Selbstverständlichkeit, dass man anderen Menschen kein Leid zufügt, ist übrigens universell und auch im Ausland bekannt. Moral ist keine deutsche Errungenschaft, bei der man nochmal nachfragen müsste, ob sie schon bei uns Zugewanderten verfügbar ist. Alle Flüchtlinge, mit denen ich gesprochen habe sind genauso erschüttert, wie ganz Deutschland. Insbesondere, weil sie durchaus wissen, dass eine der Folgen von Köln ist, dass sie nun alle misstrauisch angeschaut werden.

Ich bin stolz, Deutsche zu sein. Ganz besonders stolz war ich, als ich die Begrüßung der Flüchtlinge in München gesehen habe. Das war eine Feierstunde unserer Verfassung und der humanistischen Errungenschaften auf denen sie fußt. Auch das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin finde ich gut und richtig.

Die Entscheidung Flüchtlinge aufzunehmen bleibt auch richtig – trotz Köln. Denn die Ereignisse der Silvesternacht haben nichts mit unseren eigenen Werten und unseren Ansprüchen an uns selbst zu tun. Entweder wir sind der Meinung, dass der Schutz von Verfolgten richtig ist oder wir sind es nicht. Alles hinzuschmeißen, weil ein Tausendstel der Flüchtlinge kriminell geworden ist, würde unser Wertesystem als Heuchelei entlarven. Man kann nicht der Vorsitzende vom Vegetarierbund sein, aber zur nächsten Schnitzelbude flüchten, wenn man eine angeschimmelte Gurke im Kühlschrank hat.

Richtig ist aber auch, dass wir nun konsequent handeln und Straftäter ihrem rechtmäßigen Schicksal zuführen. Ich kenne aber auch niemanden, der anderer Meinung wäre. Umgekehrt würde es von einer unfassbaren Prinzipienlosigkeit zeugen, wenn dieser Anlass nun genutzt würde, um unsere gesamte Flüchtlingspolitik um 180 Grad zu drehen.

Meine Eltern sind vor 52 Jahren aus Marokko nach Deutschland gekommen. Die Konsequenz waren nicht Vergewaltigungen und Straftaten, sondern sechs neue deutsche Kinder. Meine Geschwister arbeiten als Tanzlehrer, Restaurantfachfrau und Rechtsanwaltfachangestellte und ich, ich bin deutsche Soldatin.

Auch viele Flüchtlinge werden in Deutschland bleiben und Kinder haben. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass auch sie eine deutsche Heimat haben, in die sie sich einbringen und auf die sie stolz sein können.

Nariman Reinke ist seit 2005 als Feldwebel bei der Bundeswehr, war zwei Mal im Afghanistan-Einsatz und dient zurzeit bei der Eloktronischen Kampfführung in Daun. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende von Deutscher.Soldat. e.V. Dieser Beitrag erschien zu erst auf der Facebook Seite des Vereins.

Deutscher.Soldat.e.V. thematisiert die gelungene Integration, weil die öffentliche Debatte sich oft einseitig und undifferenziert auf Probleme der Integration beschränkt. Interview mit dem Gründer Ntagahoraho Burihabwa

Die Vision des Vereins ist „ein Deutschland des Miteinanders, in dem gemeinsame Werte schwerer wiegen als sichtbare Unterschiede. Eine Nation, in der derjenige als Deutscher gilt, der sich als solcher fühlt und wahrgenommen werden will. Wir streben nach einer deutschen Gesellschaft in der die Leistungsbereitschaft einen höheren Stellenwert hat als die Abstammung. Deren Mitglieder, von diesem Willen beseelt, Vielfalt als Normalität und Chance ansehen und sich unabhängig von ihrer Herkunft in Freiheit entfalten und einbringen können. (…) Derzeit hat der Verein etwa 120 Mitglieder, die sich über das gesamte Bundesgebiet verteilen, wobei der eindeutige Schwerpunkt in Hamburg liegt. Der Großteil hat sich zudem für eine Laufbahn als Offizier der Bundeswehr entschieden und dient als aktive/r Offizier oder Offizieranwärter/in. Wir freuen uns allerdings auch über immer mehr zivile Mitglieder, die unsere Vision teilen und unsere Ziele unterstützen. Eine Mitgliedschaft steht also jedem offen und ist nicht auf das Personal der Bundeswehr beschränkt!“

Interview mit Nariman Reinke in der Süddeutschen Zeitung: „Ich bin deutsche Soldatin, mehr Integration geht doch gar nicht

1 Kommentare

  1. BL Says:

    Vielen Dank für den Beitrag - ich denke allerdings nicht, dass ein generelles schlechtes Bild von Marokkanern oder Ausländern allgemein die Ursache der allgemeinen Misstimmung und Angst vor Überfremdung oder dem Islam ist. Sondern die Ursache sind meiner Meinung nach ein speziell deutsches Problem und haben damit zu tun, dass wir bloss keine Konflikte austragen wollen.

    Sicherlich gibt es ein Misstrauen gegen den Islam, das vor allem auf Unkenntnis beruhen dürfte, und in den letzten Jahren auch geziehlt genährt wurde um Legitimation z.B. für den Einmarsch und die Besatzung des Irak herzustellen. Aber es gibt auch eine gewisse Unfähigkeit, Dinge beim Namen zu nennen, Konflikte auszutragen, und z.B. schnell und sachlich Konsequenzen zu ziehen, z.B. die Täter zügig abzuschieben.

    In den USA würden solche Vorfälle wahrscheinlich anders geahndet, man würde den Behörden mehr vertrauen, und die Nationalität der Täter würde eine viel geringere Rolle spielen. Bei uns kommen aber die Tabus aus der Nazizeit ins Spiel - Denk- und Sprechverbote eingeschlossen. Ich denke ein Grossteil der Pegida-Proteste richtet sich eigentlich gegen diese Scheinheiligkeit, die auch ‚politische Korrektheit‘ genannt wird.

    Ich erinnere mich an meine Kindheit, als ich unter sehr weltverbesserischen linken Lehrerinnen in der Grundschule eine Reihe türkischer Freunde hatte. Wenn wir uns kloppten, um die Rangordnung unter Jungs auszutragen, wurde ich gleich ermahnt ‚Ausländischer dürfe man nicht schlagen‘. Und als ich einen der türkischen Jungs als Klassensprecher vorschlug, herrschte betretenes Schweigen - so lernte ich, dass das auch nicht geht. Natürlich waren unsere Ritterspiele auch Gewaltverherrlichung… so ist es dann kein Wunder, dass solche Lehrerinnen in Köln von syrischen Flüchtlingen gerettet werden müssen, denn wenigstens gibt es in Syrien noch echte Ehrenmänner.

    Besser wäre aber, wenn wir Konflikte auch selber austragen könnten ohne uns ständig mit selbst auferlegten Denk- und Sprechverboten zu überwachen. Ich bin selbst mit einer Migrantin verheiratet und hoffe, dass unsere neuen Mitbürger das verstehen, und vielleicht sogar helfen können diese Komplexe zu überwinden. Man sollte mit Pegida-Anhängern reden und ihre Ängste und Nöte ernst nehmen, anstatt sich immer nur politisch korrekter Bevormundung zu unterwerfen.

    Und es würde vielleicht auch wieder ein bisschen Vertrauen herstellen, ein paar der Straftäter öffentlichkeits-wirksam abzuschieben….






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