Den Euro nicht gegen sondern mit dem Markt retten

Marie-Christine Ostermann │ 20. Juli 2012



Europa befindet sich im dritten Jahr einer strukturellen Krise, zu deren Lösung die europäische Politik immer neue Instrumente erschafft und gerade getroffene Vereinbarungen immer wieder durch neue Regeln ersetzt. Die Politik möchte unter allen Umständen ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und wirft jeder noch so sachlich formulierten Kritik entgegen: „Wir haben alles im Griff und sind auf einem guten Weg!“ Doch die Bürger in Deutschland und im Rest Europas sehen, dass diese Wahrnehmung nicht der Realität entspricht. Eine völlig richtige Einschätzung.

Die vermeintliche Rettungspolitik hat sich mit einigen grundlegenden Entscheidungen auf eine schiefe Ebene begeben. Die Entscheidungsträger sind längst zu Gefangenen ihrer falschen Annahmen geworden. Die Logik von immer höheren Brandmauern, die auf Basis von immer höheren Milliarden-Summen errichtet werden, ist zum Scheitern verurteilt. Dies liegt vor allem daran, dass die bisherigen Rettungsmaßnahmen im Gegensatz zu grundlegenden marktwirtschaftlichen Prinzipien stehen. Anstatt dafür zu sorgen, dass Risiko und Haftung wieder zusammengeführt werden, geben wir Summen in Billionen-Höhe für das Gegenteil aus.

Bankenhilfe: Anteilseigner und Gläubiger einbeziehen

Im Fall der Bankenhilfe werden Mittel einer schrumpfenden solventen Allgemeinheit dafür eingesetzt, den Schaden für Anteilseigner und Gläubiger von Banken möglichst gering zu halten. Der umgekehrte Weg wäre marktkonform. Anteilseigner und Gläubiger müssen selbst das Risiko tragen, in das sie sich begeben haben und nicht unbeteiligte Dritte mit in die Haftung nehmen.

Nur wenn im Anschluss an eine Beteiligung der Anteilseigner und Gläubiger eine essentielle Gefahr für den realen Wirtschaftskreislauf zu erkennen wäre, gäbe es ein gemeinschaftliches Interesse einer finanziellen Stützung. Aber selbst dann gilt: Finanzielle Hilfen dürften nur zeitlich begrenzt und nur gegen den Tausch von Eigentumstiteln fließen. Es ist völlig unverantwortlich und unklar, warum man in einem dauerhaften Mechanismus, wie ihn der ESM darstellt, nicht ein eindeutiges Umschuldungsprozedere als Bedingung für die Bereitstellung von Geldern festgeschrieben hat.

Staatsschulden: Zinsen nicht verfälschen

Gleiches gilt für Gelder zur Abfederung von Staatsschulden. Mit Gemeinschaftsgeld zum Beispiel italienische Zinsen zu subventionieren, setzt den am Markt gebildeten Preis für die entsprechenden Staatsanleihen außer Kraft. Dadurch wird die berechtigte Skepsis der Investoren verschleiert, die hinsichtlich der vorherrschenden Strukturen und der tatsächlich durchgeführten Politikmaßnahmen besteht. Die erhoffte Wirkung bleibt jedoch mittelfristig aus. Zinssubventionierungen sind immer wieder verpufft und das zugrundeliegende Übel der verbesserungswürdigen Wettbewerbsfähigkeit Italiens bleibt bestehen. Als direkter negativer Effekt kommt hinzu, dass der Reformdruck auf die italienische Politik deutlich abnimmt.

Analog zur Bankenhilfe wäre das Vorhalten von gemeinschaftlichen Geldern für Staaten nur dann anreizkompatibel, wenn man (partielle) Umschuldungen zur unumgänglichen Bedingung macht. Der zu gering ausgefallene Schuldenschnitt in Griechenland hat gezeigt, dass so etwas ohne größere Friktionen möglich ist. Entgegen aller „Kassandrarufer“ ist es weder zu einem Kollaps der Banken noch zu einem Dominoeffekt zu Lasten der anderen Peripherie-Länder gekommen. Dass die Beteiligung der wenigen noch verbliebenen privaten Gläubiger im Falle Griechenlands nicht zu europaweiten Verwerfungen geführt hat, lag keinesfalls an den von der Politik vielfach gerühmten Brandmauern. Vielmehr handelte es sich um einen völlig marktkonformen Vorgang. Hierin unterscheidet sich der Alltag des Unternehmers nicht von dem eines Finanzinvestors. Wenn mit einer Investitionsentscheidung Risiken verbunden sind, müssen Verluste bis hin zum Totalausfall möglich sein. Wer diesen Wirkungszusammenhang mit dem Geld Dritter außer Kraft setzt, untergräbt das marktwirtschaftliche System.

Nicht die Ökonomie ausblenden

Die vielzitierten „Märkte“ lassen sich nicht durch noch so große Summen beeindrucken. Der Abruf von Rettungsgeldern durch sechs von 17 Euro-Ländern ist ein Beleg dafür, dass die These der Brandmauern nicht trägt. Vor allem können Brandmauern nicht unendlich in die Höhe errichtet werden, denn auch die verbleibenden solventen Länder können nicht unendlich belastet werden. Die Beantwortung der Frage, wie der Euro ein ökonomisch glaubwürdiges und damit funktionsfähiges Regelwerk erhalten kann, sollte nicht mit Friedens- und Solidaritätsrhetorik aufgeladen werden. Nutzen wir die Zeit, die uns durch Karlsruhe eingeräumt wird, die Sanktionen durch den Markt in die Regeln für den Euro aufzunehmen. Nur dann hat der Euro eine Zukunft.

Marie-Christine Ostermann ist Bundesvorsitzende des Verbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER

Quelle Autorenbild: Marie-Christine Ostermann

Quelle Artikelbild: Jorm Bork / pixelio.de

1 Kommentare

  1. Canabbaia Says:

    Bravo!
    Die Frauen sind die letzten Männer! 😉






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