Europäische Integration – Prozess supranationaler Demokratisierung oder Elitenprojekt in Brüssel?

Terry Reintke │ 14. März 2012



Die EU wird von Teilen der Bevölkerung als Elitenprojekt wahrgenommen, das weit von den Menschen entfernt in unverständlichen Sprachen spricht, komplizierte Verordnungen erlässt und dessen Parlament, belagert von unzähligen LobbyistInnen, jeden Monat aufs Neue von Brüssel nach Straßburg und zurück zieht. Die EU leidet an einem Defizit demokratischer Strukturen, aber vor allem an einem Kommunikationsproblem.

Der Nationalstaat wird in der Bevölkerung nach wie vor als Wiege der demokratischen Mitentscheidung wahrgenommen, in dem der Souverän entscheidet. Brüssel hingegen scheint technokratisch. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich an den Entscheidungen, die im entfernten Brüssel getroffen werden, zu wenig beteiligt. Diese Wahrnehmung, wenn auch nur zum Teil zutreffend (immerhin waren es sehr häufig die Staats- und RegierungschefInnen, also nationale VertreterInnen im Rat, die ein demokratischeres Europa verhindert haben), muss ernst genommen werden. Nicht umsonst heißt eines der wichtigsten Grundprinzipien europäischer Integration: Subsidiarität.  Das bedeutet, dass alle politischen Entscheidungen auf der niedrigst möglichen Ebene getroffen werden müssen. Das ist allerdings oftmals, dass Entscheidungen nicht auf nationaler Ebene, sondern, sondern häufiger auf regionaler oder kommunaler Ebene getroffen werden.

Institutionelle Neugestaltung des europäischen Projekts

Für eine bessere Beteiligung der EU-Bürgerinnen und -Bürger in politischen Entscheidungsprozessen muss die institutionelle Ausgestaltung der EU reformiert werden. Die momentane Machtverteilung zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europaparlament sollte grundsätzlich hinterfragt gestellt werden. Das Parlament als direkt gewählte Vertretung der europäischen Bürgerinnen und Bürger muss mehr Entscheidungsmacht bekommen. Als erster Schritt muss es ein Gesetzesinitiativrecht bekommen. Zudem würde die Einführung transnationaler Wahllisten, wie im Duff Report vorgeschlagen, eine weitere Europäisierung der Europawahlen bedeuten. Darüberhinaus sollte die Europäische Kommission in ihrer Zusammensetzung reformiert werden, um ein effektives Arbeiten zu ermöglichen.

Politik und besonders BürgerInnenbeteiligung funktionieren jedoch nicht durch die bloße Vertretung des Parlaments. Auch direkt-demokratische Instrumente müssen gesamteuropäisch gestärkt werden. Große Hoffnungen werden dabei in die Europäische BürgerInneninitiative (European Citizen´s Initiative – ECI) gesetzt. Sie ist die erste BürgerInneninitiative, die supranational eingesetzt werden kann und somit zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit entscheidend beitragen kann. Politische Streitfragen, die Europa betreffen, können so endlich aus nationalen Diskursen herausgeholt und auf gesamteuropäischer Ebene diskutiert werden.

Schaffung eines europäischen Demos

Eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen, in der nicht mehr Deutsche gegen GriechInnen ausgespielt und nationale Interessen durchgesetzt werden, sondern politische Konflikte auf Basis von Argumenten ausgetragen werden, ist ein wichtiger Schritt, um das europäische Projekt Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen. Wahre BürgerInnenbeteiligung muss nicht bloß institutionell geschaffen werden, sondern auch gelebt werden.

Deshalb streitet die Grüne Jugend für ein Europa der BürgerInnen, in dem das europäische Parlament eine größere Rolle spielt, nationale Parlamente stärker einbezogen werden und politische Diskussionen auf europäischer Ebene stattfinden.

Terry Reintke ist Sprecherin der Federation of Young European Greens (FYEG) und hat an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft studiert. Sie ist begeisterte Europäerin und überzeugte Verfechterin direkter Demokratie und BürgerInnenbeteiligung.

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