Einsätze der Bundeswehr: Bewaffnetes THW oder Interventionsarmee?

Felix Seidler │ 10. Februar 2012



Akzeptanzgewinn für Auslandseinsätze bedarf einer neuen Strategiedebatte. Exterritoriale Aufgaben für die Bundeswehr nehmen zu, genießen aber weniger Rückhalt bei den Bürgern. Politische Begründung für und öffentliche Wahrnehmung von Einsätzen unterscheiden sich zu sehr. Ein stärkerer Einklang ist nötig.

Nur 2 % Ablehnung

Nach zehn Jahren Afghanistan-Krieg ist es durchaus bemerkenswert, dass nur 2 % der Bevölkerung Bundeswehreinsätze völlig ablehnen. Dies ist eines der Ergebnisse einer in der >Nov./Dez. 2011 Ausgabe von Internationale Politik veröffentlichten Forsa-Umfrage*. Gefragt wurde, für welche fünf Aufgaben die Bundeswehr in den Augen der Bevölkerung prinzipiell eingesetzt werden könnten. Für die 2 % Komplettablehnung reicht das von Horst Köhler betonte „freundliche Desinteresse“ der Öffentlichkeit an den Streitkräften allerdings nicht als Erklärung aus, nachdem das Kunduz-Bombardement auch die letzten Illusionen über die afghanische Kriegswirklichkeit zerstört hat. Deutschlands Bevölkerung scheint also eine differenziertere Haltung zu ihren uniformierten Mitbürgern einzunehmen. Mehr als 74.000 Fans der Bundeswehr bei Facebook legen diese These nahe.

Mit den Umfragezahlen lässt sich die Schlussfolgerung auch begründen. Mit je 83 % Zustimmung sind Einsätze zur „Landesverteidigung“ und für „Humanitäre Zwecke“ Bundeswehraufgaben, die in der Bevölkerung offenbar breiten Rückhalt genießen. „Terrorismusbekämpfung“ (63 %) und „Erfüllung von NATO-Verpflichtungen“ (60 %) bekommen zwar eine Mehrheit, aber deutlich weniger Zustimmung. Weit abgeschlagen davon können sich nur 29 % einen Einsatz der Bundeswehr zur „Sicherung deutscher Wirtschaftsinteressen“ vorstellen.

Für eine neue Betrachtung

Die Erinnerung an die Struck-Doktrin, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt, ermahnt dazu, die gemessene Einstellung der Bevölkerung anders zu betrachten. Die entscheidende Frage ist, was die Bevölkerung unter den fünf genannten Aufgaben (nicht) versteht.

Landesverteidigung und humanitäre Zwecke werden in der Bevölkerung vermutlich als territorial auf das Bundesgebiet bezogene Aufgaben wahrgenommen. Bei „Landesverteidigung“ denken viele Menschen vermutlich an den Kalten Krieg, bei „Humanitärer Hilfe“ an die letzte Flutkatastrophe zurück. Ohne diese Wahrnehmung gäbe es die Zustimmungswerte von mehr als 80 % für diese Aufgaben in allen politischen Lagern von Die Linke bis Union sonst nicht. Außerdem bejahen demgegenüber 20 % weniger Bürger exterritoriale Aufgaben wie NATO- oder Antiterroreinsätze.

Jedoch sind territoriale Aufgaben außer Katastrophenhilfe seit 1990 Geschichte. Ferner ist zu hinterfragen, inwieweit die Bundeswehr nach Abschluss der Truppenreduzierung noch über die notwendige Mannstärke für größere Katastropheneinsätze wie Fluthilfe verfügt. Stattdessen, so betont es die Politik auch selbst, werden exterritoriale Aufgaben außerhalb des EU- und NATO-Gebietes wahrscheinlicher.

Strategie debattieren, Akzeptanz gewinnen

Die (In-)Akzeptanz der Bevölkerung für Auslandseinsätze hängt nicht davon ab, wie sie von der Politik begründet werden, sondern als was für eine Aufgabe der jeweilige Einsatz in der Bevölkerung tatsächlich wahrgenommen wird. Bundesregierung und Parlament stehen also in Zukunft vor dem Problem, die Bevölkerung entweder von den Einsatzgründen zu überzeugen oder Soldaten in unpopuläre Einsätze zu schicken.

Zur Problemlösung bietet sich die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr nicht an, denn sie ist, es klingt paradox, schlicht zu gut. Auf Seminaren, mit Jugendoffizieren, bei Veranstaltungen und in herkömmlichen wie Neuen Medien tut die Bundeswehr viel für ihre öffentliche Wahrnehmung. Soll nun mehr Akzeptanz für Auslandseinsätze generiert für werden, muss ein neues Mittel her. Dieses Mittel heißt Strategiedebatte.

Es bedarf in Deutschland dringend einer öffentlichen, organisierten und koordinierten Strategiedebatte mit entsprechendem Abschlussdokument. Konzepte wie das Weißbuch 2006 und das neue Gestaltungsmächtekonzept des Auswärtigen Amtes gehen inhaltlich in die richtige Richtung, leiden aber eben gerade darunter, dass sie ohne unmittelbaren Einbezug der Zivilgesellschaft erarbeitet wurden.

In Zeiten knapper Staatskassen und eines massiv wachsenden Bedürfnisses des Souveräns nach Transparenz und Partizipation muss eine solche Debatte unter Einbezug breiter Teile der Bevölkerung on- und offline lange und intensiv geführt werden. Den Bürgern ist am Ende dieses Prozesses deutlich zu machen, dass ihr Input in das Abschlussdokument tatsächlich eingeflossen ist. Nur so kann langfristig Akzeptanz gewonnen werden.

Ein Auseinanderklaffen der Wahrnehmung von Souverän und Politik für Einsätze, die auch Leib und Leben von Soldaten kosten können, wäre langfristig gefährlich. Auf Dauer wird die Bevölkerung teure Einsätze, deren Begründung sie nicht nachvollzieht, kaum mittragen. Den Soldaten ist es ebenso wenig zuzumuten, Leib und Leben in  Einsätzen zu riskieren, die ihre Mitbürger ohne Uniformen ablehnen.

*Bei der Umfrage waren Mehrfachnennungen möglich. Die Umfrage ist nicht online, sondern nur in der Print-Ausgabe der IP (S. 6) verfügbar. 

Felix F. Seidler ist Redakteur bei Deutschlands Agenda.

1 Kommentare

  1. Adrian Says:

    Gefaellt mir gut die Seite. Tolle Themenwahl.






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