Keine Zeit mehr für weitere Fehlschläge

Niklas Anzinger │ 20. Januar 2012



Wie kann ein nuklear bewaffneter Iran, der eine Bedrohung für Israel und die gesamte Region darstellt, in der noch verfügbaren Zeit verhindert werden? Man darf nie versäumen, das Problem beim Namen zu nennen: Irans Regime. Eine Eindämmungsstrategie zu gegebenen Zeitpunkt zu formulieren ist fehlgeleitet und geht an der notwendigen Debatte vorbei. Stattdessen muss die Bundesregierung stärker auf Sanktionen setzen.

Niklas Anzinger

Minimalkonsens muss sein, dass ein nuklear bewaffneter Iran als Gefahr anerkannt und die Verhinderung des Griffs zur Bombe das Ziel ist. Diese Position dürfte in Berlin gar nicht so selbstverständlich sein, da es immer noch einflussreiche Akteure gab und gibt, die trotz des Verhaltens Iransenge und kooperative Beziehungen oder eine strategische Partnerschaft mit dem Teheraner Regime fordern. Das hat bislang vor allem dazu geführt, dass Deutschland die internationalen Sanktionen gegen den Iran verwässert und damit dem Regime wichtige Zeit verschafft hat.

Israel kann nicht mit der Bombe leben
Was, wenn Israel und die USA nicht militärisch gegen den Iran vorgehen und dieser in den Besitz der Bombe kommt? Warum soll so ein solches Gedankenexperiment zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt relevant sein? Sicherheitsexperten in aller Welt zerbrechen sich Köpfe darüber, wie eine iranische atomare Bewaffnung noch verhindert werden kann.

Allein aus israelischer Sicht, ganz zu schweigen von den arabischen Anrainerstaaten und besser informierten US-Sicherheitsdiensten, mutet allein schon das Gedankenspiel einer „Eindämmungsstrategie“ bizarr an. Israel kann nicht mit der iranischen Bombe leben. Attentate seitens der Hamas auf israelische Zivilbevölkerung, Entführungsversuche israelischer Soldaten seitens der Hisbollah – in jedem solcher Fälle muss Israel bei einer entsprechenden Gegenreaktion eine nukleare Drohung des Irans mitkalkulieren. Dass auf den höchsten Ebenen der iranischen Führung islamistische Apokalyptiker das Sagen haben, deren Vernichtungsdrohungen gegen Israel an Redundanz und Nachdruck kaum zu überbieten sind, dürfte die Israelis auch nicht ruhiger schlafen lassen. 23 Prozent der Israelis würden laut einer Umfrage bei einer iranischen Atombombe das Land verlassen. Selbstverständlich wären dies die wirtschaftlichen und politischen Eliten, die sich den Wegzug leisten können. Solch einen Exodus an Qualifizierten würde kein Land der Welt überleben.

Strategie im luftleeren Raum
Die Tatsache, dass ein nuklear bewaffneter Iran nicht nur für Israel, sondern für die ganze Region eine Bedrohung ist – entsprechende Szenarien über Ölpreisschocks, Stellvertreterkriege, Destabilisierung, nuklearer Wettlauf etc. sind nicht schwer vorstellbar – sollte im Grunde eine Selbstverständlichkeit sein, auf die man nicht mehr hinweisen müsste. Man muss also pragmatisch festhalten, dass eine militärische Auseinandersetzung seitens Israel und seiner mehr oder weniger entschlossenen Partner gegen den Iran wohl einer atomaren Bewaffnung vorrausgeht. Genau das wird auch derzeit in den damit betrauten Sicherheitskreisen und entsprechenden internationalen Medien und Expertenkreisen (besonders in den USA und Israel) bis ins Kleinste durchdiskutiert und analysiert. Gedanken über eine „Eindämmungsstrategie“ schweben angesichts ganz realer Szenarien für die nähere Zukunft, die von Fakten ausgehen, die eigentlich schon seit Jahren jedem klar sein müssten, in einem luftleeren Raum. Die Europäer scheinen immer hinterherzuhinken, wenn es darum geht das Gegebene zu realisieren und entsprechend darauf zu reagieren.

Argumentativ ist die Forderung einer Eindämmungsstrategie insofern gerechtfertigt, dass sie darauf hinauswill, dass letzten Endes „die Sanktionsschraube erneut schleunigst angezogen werden“ soll, „um so vielleicht einen nuklearen Iran doch noch zu verhindern“. So wird doch ein nicht wünschenswertes, hypothetisches Szenario aufgezeigt, das verhindert werden soll. Dabei ist die Frage nach dem „Warum“ nicht mehr relevant. Wer die Bedrohung durch die iranischen Ambitionen noch nicht realisiert hat wird auch nicht eher zu überzeugen sein, als dass ein nuklearer besetzter Sprengkopf auf dem Weg nach Tel Aviv ist und dementsprechend für angemessene Politikmaßnahmen nicht mehr zu haben sein. Viel wichtiger ist in der gebotenen Zeit das „Wie?“ Schließlich machen sich die Militärstrategen des iranischen Regimes schon lange Gedanken darüber, wie sich im Falle einer Intervention westlicher Mächte diesen am Effektivsten Schaden zufügen können - beispielsweise durch asymmetrische Kriegsführung.

Weg mit dem Regime
Die bisher fehlgeleitete Bundesregierung muss sich viel stärker als bisher den internationalen Debatten und den daraus resultierenden Handlungsoptionen um Sanktionierung der iranischen Zentralbank, Exportstopp von Rohöl und militärpolitischen Erwägungen orientieren. Viele der involvierten internationalen Akteure zögern ob derartiger Maßnahmen, die den Öl- und Energiemarkt treffen können, aber die Rechnung geht nicht auf, da ein nuklear bewaffnetes iranisches Regime schlichtweg langfristig weit teurer und unberechenbarer sein wird. Es gibt Möglichkeiten, eine iranische Atombombe zu verhindern, und von politischer Seite ist auch in Berlin darüber zu reden, wie man diese am besten nutzt. Deutschland als der wichtigste westliche Handelspartner des Holocaustleugnerregimes hat mehr als genug Optionen, über wirtschaftliche Kanäle Druck auszuüben. Deutschland könnte sich im Moment zumindest den Briten anschließen und eine potenzielle Schließung der Straße von Hormuz öffentlich einen „Kriegsgrund“ nennen.

Es dürfte kaum noch einen Zweifel daran geben, dass das Problem der Bombe unmittelbar mit dem iranischen Regime zusammenhängt. Wer trotzdem zweifelt, kann eigentlich nur daran glauben, dass das Regime in irgendeiner Weise zum Einlenken gebracht werden kann. Diejenigen, die immer noch zweifeln, müssen sich in dem Fall eine sich über Dekaden erstreckende Geschichte von Fehlschlägen anhören, die im Grund nur bestätigt, was einem jeden spätestens seit der grünen Revolution im Jahre 2009 klar sein müsste: Das iranische Regime hat keine Legitimation. Es war von Anfang an das Problem. Es muss schlicht und einfach weg.

Niklas Anzinger studiert Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Er bloggt auf atlantic-community.org und seinem eignenen Blog zum Konflikt um das iranische Atomprogramm.

Bildquelle: US Navy.

Weitere DA-Artikel zu diesem Thema:

Dr. Oliver Thränert (09. Januar 2012): Atommacht Iran? Der Preis wäre hoch.

Felix Seidler (10. November 2011): Warum es keinen Luftschlag gegen Iran geben wird.

5 Kommentare

  1. Raizi Says:

    BND, Mossad, NSA, MI6 wissen das Iran Mitte 2011 6 A-Köpfe aus Kasachstan erhalten haben. Diese sind unter chinesischer Hilfe auf Raketen montiert worden.
    Die Trägersysteme sind ausgelegt Antiraketensysteme zu teuschen, machen diese wirkungslos. Die Technik stammt aus Russland.
    Ich gehe davon aus wir haben eine Pattsituation wie während des „kalten Krieg“. Hier haben Sanktionen regelmäßig versagt, im Gegenteil, z.B die
    CPU Z80 von Zilog stand auf der Liste. In der DDR hat man sich eine CPU besorgt und analysiert. Dabei hat man einige Fehler gefunden und Verbesserungen in die folgende Produktion einfließen lassen.
    So konnten optimierte Steuerungssysteme für SCUD-Raketen hergestellt werden
    dank Sanktionen.
    Sanktionen sanktionieren den Sanktionierer am meisten, siehe Israel.

    Grüsse

    Raizi

  2. Niklas Anzinger Says:

    @ Norman Reppingen

    Das iranische Regime ist verantwortlich für Terroroperationen im In- und Ausland gegen Regimekritiker (z.B. Berlin, Wien) und jüdische Einrichtungen (Argentinien), außerdem Gegenaktivitäten gegen westliche Missionen in Afghanistan und dem Irak (ganz zu schweigen von zahllosen Aktivitäten in Nordafrika und Lateinamerika). Diese deuten meiner Ansicht nach sowohl auf den expansiven Drang der Islamischen Republik als auch auf staatlichen eliminatorischen Antisemitismus hin. Es gibt wenig zu interpretieren über den staatlichen Antisemitismus (darauf haben genug persischkundige Autoren ausführliche Analysten geschrieben) und wenig zu verharmlosen in bezug auf das genozidale Potenzial von Leuten, die so ticken. Die explizite Feindschaft gegenüber den USA spricht auch nicht unbedingt für eine pragmatische, sicherheitsortientierte Politik, wie etwa die der Türkei.

    Meiner Ansicht nach ist Israel durchaus bekannt für eine menschenrechtskonforme Politik unter den Bedingungen, die möglich sind (und meiner Ansicht nach auch angemessen). Muss man groß betonen, dass darin doch ein qualitativen Unterschied liegt gegenüber einem Regime, unter dem alle 8 Stunden eine Hinrichtung stattfindet und Homesexuelle an Baukränen aufgehangen werden?

    Ich denke das iranische Regime hat keine Legitimation, westliche Staatenvertreter hätten sich explizit auf die Seite der Demonstranten im Jahre 2009 stellen müssen.

  3. Jan Says:

    Gefaellt mir gut der Blog. Tolle Themenwahl.

  4. Niklas Anzinger Says:

    @ Norman Reppingen

    Sie haben einige Aspekte angesprochen, auf die ich nicht alle eingehen kann.

    Zu einem möglichen „Krieg“: Wenn wir unter Krieg nur eine Auseinandersetzung zwischen Staaten mit konventionellen Waffen verstehen, dann kommen wir hier nicht weit. Wir müssen auch von Geheimdienstoperationen, Anschlägen, Stellvertretern bzw. Aufrüstungsbestrebungen etc. sprechen. Das sind alles Faktoren, die eine Rolle spielen heutzutage, auch wenn sie darunter nicht einen klassischen Krieg verstehen, den sie als denkbar schlimmste Option sehen. Was dem aber zugrunde liegt lässt sich möglicherweise eher mit dem Begriff „Antagonismus“ fassen - die Islamische Republik Iran versteht sich als revolutionäres Regime, welches die Machtverhältnisse in der Region fundamental verändern will und nicht - wie sie es sagen - „objektiv geringe Differenzen“. Was das genau heißt habe ich schon öfter angesprochen. Dieser Antagonismus wird auf mehreren Ebenen, u.a. auch internationalen Verhandlungen und den vorher angesprochenen Aspekten ausgetragen. Wenn dieser Antagonismus besteht, wie ich ihn darstelle, dann spielt die Bereitschaft für militärische Auseinandersetzungen eine Rolle. Einfach gesagt, wenn die Iraner in einem höheren Maße bereit sind Verluste in militärischen Auseinandersetzungen hinzunehmen (und das haben sie), dann sind sie in einer stärkeren Verhandlungsposition als andere Akteure, die das vermeiden wollen. Aus diesem Grund meine ich, dass die militärische Option nicht prinzipiell vom Tisch genommen werden sollte. Aber natürlich wäre das eine sehr schlechte Option, sollte von ihr Gebrauch gemacht werden - aber eben nur die Zweitschlechteste, nach einem nuklear bewaffneten Iran.

    Mit Szenarien, wie sich ein solcher Konflikt austragen würde, halte ich mich persönlich zurück. Wir müssen mit so genannten Geheimdienstinformationen und Expertenwissen vorsichtig umgehen, denn das wird taktisch gebraucht und wirklich relevaten Detailinformationen erreichen zu dem Zeitpunkt wohl niemanden in der Öffentlichkeit.

    Auch sollten sie, Herr Reppingen, sich davor hüten anderen Menschen „ihre Identität“ oder „ihre Kultur“ zu erklären. Das wissen diese Menschen am Besten selbst, und im Falle des Iran ist es ein alter Taschenspielertrick die eigene Verhandlungsposition auf kulturelle Identität zurückuführen, die deshalb den Rückhalt „vom Volk“ hat. Jeder Politiker will natürlich sagen, dass er im Namen der Mehrheit spricht, aber das müssen wir als kritisch denkende Menschen doch nicht glauben. Lassen sie sich nicht davon täuschen. Ich persönlich glaube nicht, dass das iranische Regime für die Mehrheit der Bevölkerung spricht, sondern im Iran selbst vollkommen verhasst und für die zunehmenden internationale Isolation und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch Sanktionen verantwortlich gemacht wird. Auch hier sind solche Einschätzungen schwierig zu überprüfen, da wir nicht von einem freien Land reden, in dem unabhängige Untersuchungen möglich sind. Aber genau das ist eben das Problem.

    Ich gebe ihnen in vielen Punkten recht, aber sie sehen, ich ziehe ganz andere Schlüsse daraus. Ich glaube auch, dass die iranische Bevölkerung sehr viel weiter ist, als ihre poltische Führung - das hat selbst Benjamin Netahnjahu in dem WELT-Interview letztens hervorgehoben. Ich hoffe ich konnte diese nachvollziehbar machen.

  5. Niklas Anzinger Says:

    Herr Reppingen,

    mit Meir Dagan liefern sie mir eine Steilvorlage.

    Lesen sie hier, was er im Roundtable mit Bernard Lewis und Uri Lubriani zu sagen hat: http://www.nationalreview.com/articles/287175/historian-diplomat-and-spy-clifford-d-may?pg=2 Die gemeinsamen Forderungen decken sich nämlich nahezu vollständig mit den Meinen.

    Sie haben die Argumentation von Dagan verkürzt dargestellt und sich nur das herausgesucht, worin sie selbst sich bestätigt sehen. Auch Dagan weiß ganz genau, dass eine militärische Auseinandersetzung irgendwann unausweichlich sein wird, wenn nichts Anderes (die Punkte aus dem Roundtable, darin stimme ich vollkommen mit ihm überein) greifen. Er meint aber, dass noch Zeit besteht und ein vorschneller Angriff enormen Schaden anrichten würde (hier kann ich weder zustimmen noch ablehnen, da ich die notwendigen Insiderinformationen nicht habe).

    Wenn die Differenzen so gering wären, warum gibt es dann seit Bestehen der Islamischen Republik Iran so enorme diplomatische Schwierigkeiten? Nach ihrer Interpretation ist das ein Fehler der westlichen Mächte, die den Iran nicht genügend kulturell verstehen? Rußland und China verstehen das besser? Aha.

    Vieles was sie geschrieben haben, hatten wir schon einmal. Da drehen wir uns im Kreis.






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