Läßt Deutschland seine engsten Partner im Stich?

Redaktion │ 21. November 2011



Ruprecht Polenz und Hans-Ulrich Klose, der Vorsitzende und der Stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, kritisieren die „deutsche Leidenschaft, ’strategische Partnerschaften‘ auch mit solchen Staaten einzugehen, die von westlichen Werten wenig oder gar nichts halten, mit Russland etwa oder China“.

Es gebe gewiss gute realpolitische Gründe, mit beiden Ländern zu kooperieren, doch die Zusammenarbeit mit den europäischen und amerikanischen Partnern müsse Vorrang genießen.


Dies fordern die Abgeordneten Klose und Polenz, die auch dem Beirat der Atlantischen Initiative angehören,  in der Internationalen Politik, der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Hier ein Auszug:

Europa ist nicht mehr durch einen Eisernen Vorhang geteilt, Deutschland ist wiedervereinigt und umgeben von Ländern, die Partner sind in Systemen von Sicherheit und Zusammenarbeit, denen auch Deutschland angehört: NATO und EU. Deutschlands Sicherheitslage hat sich dadurch dramatisch verändert, genauer: verbessert. Deutschland ist nicht mehr Frontstaat, sondern ein Land in der Mitte.

Aber es ist immer noch Teil eines Bündnisses, dessen Sicherheitslage heute nicht mehr primär aus deutscher, sondern aus Sicht der Peripherie beurteilt werden muss: Die Solidarität, die Deutschland in Zeiten des Kalten Krieges als Frontstaat zuteil wurde, schuldet Deutschland heute den Ländern der Peripherie und, bei Einsätzen „out of area“, dem Bündnis insgesamt. Zweifel an deutscher Bündnissolidarität darf es nicht geben.

Gibt es Zweifel? Dazu noch einmal ein Blick auf die Abschiedsrede von Robert Gates. Er habe schon früher, so Gates, keinen Hehl aus seinen Sorgen gemacht, dass die NATO in eine Zweiklassengesellschaft zerfallen könnte: „Auf der einen Seite die Mitglieder, die sich auf ‚weiche‘ und humanitäre Aufgaben spezialisieren – Entwicklung, Friedenserhaltung, Dialog – und die, die sich um die ‚harten‘ Kampfeinsätze kümmern.“ Mit anderen Worten: „Eine Spaltung zwischen denen, die bereit und in der Lage sind, den Preis zu bezahlen und die Lasten der gemeinschaftlichen Verpflichtungen zu tragen, und jenen, die die Vorteile einer NATO-Mitgliedschaft gerne mitnehmen – seien es Sicherheitsgarantien oder Tickets fürs Hauptquartier –, aber wenig Lust haben, die Kosten und Risiken zu teilen.“ Doch heute sei das bedauerlicherweise „keine hypothetische Sorge mehr. Heute sind wir an diesem Punkt angekommen. Und das ist inakzeptabel.“

Auch hier darf man vermuten, dass Deutschland gemeint ist – vielleicht sogar in erster Linie. Denn: Ja, wir haben große Schwierigkeiten, uns auf die neue Lage nach dem Ende des Kalten Krieges einzustellen. Während des Kalten Krieges waren wir vor allem Konsument kollektiver Sicherheitsanstrengungen. Heute erwarten unsere Partner ein stärkeres Engagement Deutschlands dabei, Sicherheitsstrukturen zu schaffen.

Dieser Rollenwechsel fällt dem Land, den Menschen, der Politik noch immer schwer. Das hat nicht nur mit Budgetproblemen oder einem Mangel an militärischen Fähigkeiten zu tun, sondern vor allem mit deutscher Geschichte und durch Erfahrung veränderter Mentalität. Der Kalte Krieg ist durch Kampfbereitschaft, aber ohne Kampf und am Ende politisch entschieden worden – diese Erfahrung war prägend für deutsche Außen- und Sicherheitspolitiker quer durch die Parteien, die sich schnell auf eine „Kultur der Zurückhaltung“ verständigten, wenn es galt, zur Konfliktbewältigung mit militärischen Mitteln beizutragen.

Stimmen Sie, liebe Leser, der Mahnung von Hans-Ulrich Klose und Ruprecht Polenz zu, dass Deutschlands Partner im Westen sitzen? Gibt es „den Westen“ überhaupt noch?

Müssen wir in Sachen Bündnissolidarität nachlegen oder sollten wir den Kalten Krieg hinter uns lassen und neue Partnerschaften mit starken Nachbarn wie Rußland und der zukünftigen Supermacht China intensivieren?

2 Kommentare

  1. Michael Schulz Says:

    Deutschland lässt niemanden im Stich. Wir machen nur nicht mit bei außenpolitischen Abenteuern, wie Irak und Libyen. Unsere Alliierten müssen das respektieren.

    Außerdem richten sich auch die USA immer stärker nach Asien aus:

    To Obama, ‚Go West Young Man‘ Means Engaging Asia
    http://www.npr.org/2011/11/09/142182582/to-obama-go-west-young-man-means-engaging-asia?ft=1&f=142182582

  2. Berliner Says:

    Ob wir mit Putin und Medwedew eine Partnerschaft eingehen sollten, wage ich zu bezweifeln. Man hat ja gerade an der „100% Nomminierung“ von Putin bemerken können, dass Russland alles andere als eine Demokratie ist.  






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